2.1. Was ist Techno-Musik und wie funktioniert sie?
      Techno-Musik und ihre Voraussetzungen

Als zu Beginn der 90er-Jahre Techno-Musik populärer wurde, nahm man zunächst häufig den Demokratisierungseffekt wahr, als der sie auf das Musik-Machen wirkte. Man verstand diese neue Musik als Polemik gegen auch im Pop-Bereich virulente Reflexionsfiguren wie "die Musiker beherrschen ihre Instrumente gut" und ähnliche. Handwerkliches Können wurde scheinbar in seiner Funktion als der Musik vorausgehende Vorbedingung dieser suspendiert. Dazu passte es nur zu gut, daß sich jeder die notwendigen Computer-Geräte einfach kaufen und dann im Wohnzimmer munter loslegen konnte.

Meist vergaß man hinzuzufügen, daß diese Geräte ein paar tausend Mark kosteten und die Computer auch erst einmal bedient werden mussten. Es existieren also nach wie vor sozial und ökonomisch selektierende Faktoren, die das Musik-Machen eine, wenn auch modifiziert gelagerte, exklusive Angelegenheit bleiben lassen.
Dennoch kann verallgemeinert werden, daß der in obigem Mythos beschriebene Weg, zunächst einmal prinzipiell allen offensteht und keineswegs die ungewöhnlichste Variante darstellt, wie Techno-Platten entstehen.


Was ist Techno-Musik?

Techno-Musik wird ausschließlich mit Computern hergestellt, arbeitet dabei häufig mit Mustern der Atonalität und basiert fast ausschließlich auf repetetiven Rhythmen. "In der Technomusik heißen die einzelnen Stücke Tracks und nicht länger Songs: Melodien, Harmonien und (Sprech-)Gesang sind in ihnen bis zur Unkenntlichkeit reduziert oder vollständig abgeschafft. Statt dessen sind Rhythmus und Sound die zentralen Elemente von Techno, die meist im periodischen Viervierteltakt vielfältig übereinander geschichtet werden. Bei der Ausarbeitung der Tracks werden disparate Klangfolgen an Computern (Sampler, Sequenzer, Synthesizer, Rhythmusmaschine) ohne Notation durch Ausprobieren zusammengemischt. Durch die Verwendung der Sampling-Technologie ist es für den Technomusiker prinzipiell möglich, jeden irgendwann einmal auf einem Tonträger aufgenommenen Klang ohne merkbaren Qualitätsverlust zu bearbeiten." (ANM: Christof Meueler, Auf Montage im Techno-Land, in: SPoKK (Hrsg.), Kursbuch Jugendkultur, S. 243)

Diese skizzenhafte Beschreibung der Musik kann als allgemeines Raster genommen werden, dessen konkrete Ausgestaltung die einzelnen Stile, die unter dem Oberbegriff "Techno-Musik" zusammengefasst werden, jeweils spezifisch ausdifferenzieren. Von den unzähligen Techno-Stilen sind als wichtigste House, Gabber, Ambient, Drum'n'Bass/Jungle, Goa/Trance, Electro und Techno selbst zu nennen.


Schallplatten und ihr Vertrieb

Die Musik ist primär auf Vinyl-Platten erhältlich, die für 15 - 20,- DM in spezialisierten Läden verkauft werden. Das Vinyl-Format ist meist auch das einzige, das DJ's verwenden. Das CD-Format bleibt in der Regel wenigen kommerziell erfolgreicheren Musikproduzenten vorbehalten oder aber es handelt sich um Compilations, d.h. Zusammenstellungen von Musikstücken verschiedener Künstler.
Darüber hinaus existieren einzelne Versuche, Technomusik auf dem CD-ROM-Format oder im Internet abrufbar zu machen, was jedoch Avantgarde-Projekte mit Ausnahmestatus sind, die hier vernachlässigt werden können.

Die Infrastruktur von Produktion und Vertrieb der Platten besteht in einem nach lokalen, stilistischen und kommerziellen Gesichtspunkten gegliederten und breit gefächerten Netz an kleinen Plattenfirmen, sogenannten Labels, die sich auf Herstellung und Vertrieb von Technomusik spezialisiert haben. Daß Techno-Musik auf einer Major-Firma (ANM: Multinationale Großkonzerne wie EMI, Sony, Warner Bros. etc) erscheint, stellt immer noch eher eine Ausnahme dar.


Wer hört wo, wie und wann Techno-Musik?

Dementsprechend besteht die Zielgruppe der veröffentlichten Platten zuvorderst aus den DJ's. Luke Slater, britischer Techno-Musiker, bringt es auf den Punkt: "Techno wird immer Clubmusik bleiben, denn da gehört Techno hin. Mit Techno verbinde ich Ausgehen, Spaß haben, Tanzen und eine Party machen." (ANM: DE:BUG. 05:1197, S. 11) Im Vergleich zu anderen jugend- und subkulturgebundenen Populärmusiken ist es eher unüblich, sich Techno-Musik Zuhause anzuhören - die Anzahl der potentiellen Plattenkäufer bleibt so relativ klein. Mit der Produktion von Techno-Musik lässt sich folglich kaum der Lebensunterhalt bestreiten. Selbst namhafte Techno-Musiker reproduzieren sich ökonomisch in erster Linie durch ihre Engagements als DJ's auf Raves oder in Discotheken.

Das primäre Setting, innerhalb dessen Techno-Musik gehört wird, ist also der Rahmen einer Party. Für die dortige Musik ist der DJ zuständig, der die Platten auflegt. Die Arbeit des DJ's, das sogenannte Deejayen, besteht darin, die Schallplatten hinter- und ineinander zu mischen (mixen). Der DJ Westbam beschreibt dies als "musikalische Tätigkeit (...), die die Musik spannender machen soll (...), bei der es darum geht, musikalische Strukturen aufzugreifen und zu verändern, bei der Spannungen zwischen gerade artfremden, aber auch ähnlichen Stücken aufgebaut und aufgelöst werden sollen. Mixen sollte ein bestimmtes Miteinander, Nacheinander und Gegeneinander von Takten und Harmonien sein und keine Reduktion auf beats per minute." (ANM: Westbam, Worum geht es beim Mixen?, S. 56) Zum Mixen braucht man in der Regel nicht mehr als zwei Plattenspieler mit Geschwindigkeitsreglern (Pitches) und ein Mischpult mit einem Überblendregler (Cross-Fader). Damit können beliebig Stücke ineinander gemischt werden.