2.2. Zur
Partykultur
Als primäre Kulturform der Techno-Kultur können
fraglos Parties angegeben werden. Einziges Kriterium einer Party ist, daß sich Leute an
einem Ort zusammenfinden, um gemeinsam zu feiern.
Ökonomische Aspekte
Parties sind in der Regel kommerzielle Veranstaltungen: es kostet Eintritt und es
werden Getränke verkauft. Die Veranstalter wollen entweder nur die Unkosten einspielen
oder auch selbst an der Party verdienen. Techno-Parties existieren in allen vorstellbaren
Schattierungen. Neben der Differenzierung durch die verschiedenen Musikstile können sie
nach ökonomischen Gesichtspunkten unterschieden werden.
Formal kann zunächst einmal jedes Individuum Gast und damit auch Kunde einer Techno-Party
sein. Eine diesbezügliche Selektion findet vor allem durch die Mittel der Preis- und
Tür-Politik statt. Unter Preis-Politik versteht man, daß ein bestimmtes Preisniveau
selektierend auf den Kreis der potentiellen Partygäste wirkt. Nicht jeder ist bereit oder
in der Lage, zwanzig Mark Eintritt und knapp zehn Mark pro Getränk zu zahlen, wie das in
vielen Techno-Discos der Fall ist. Unter Tür-Politik versteht man die sprichwörtliche
Selektion durch sogenannte Türsteher, die entscheiden, wer hinein darf und wer nicht.
Spezifika von Techno-Parties
Techno-Partys finden in der Nacht statt, man geht kaum vor Mitternacht zu einer, sie
können jedoch beliebig in den nächsten Tag oder sogar über diesen hinaus verlängert
werden. Häufig findet man sich danach noch in kleinerem Kreis zur techno-spezifischen
sogenannten After-Hour, also der Party nach der Party. Meist in privaten Wohnungen, gibt
es aber auch einige Discotheken, die Atferhours anbieten und dafür am Vormittag öffnen.
Üblicherweise ist der Party-Raum derart gegliedert, daß es mindestens eine oder aber
mehrere Tanzflächen (Dancefloors) gibt, auf denen verschiedene Musik-Stile gespielt
werden. Hinzu kommen Getränkestände und manchmal auch Garderoben. Spezifikum der
Techno-Kultur ist es, neben den Tanzflächen auch sogenannte recreation areas oder Chill
out-Räumlichkeiten anzubieten. Diese haben die Funktion, den Tanzenden die Möglichkeit
zu geben, sich zu erholen und sich zu unterhalten.
Weite Teile der sozialen Praxen der Techno-Kultur finden sich schon in der Disco-Kultur
der 70er-Jahre. Die Elemente des exzessiven Tanzens, des Drogengebrauchs und des seltsam
banalen Phänomens des `Lange-Aufbleibens' können hier genannt werden.
Auf Parties tanzen die Einzelnen oft pausenlos mehrere Stunden hintereinander. Bezüglich
des Tanzstils und der Bewegungsmuster gibt es zunächst einmal keine genaueren Vorgaben.
Das Verhältnis zum Tanzen ist im Vergleich zu anderen Popmusiken insofern verändert, als
man nicht auf bestimmte Songs/Tracks wartet, die gefallen und gekannt werden, sondern
sich, aufgrund des permanent gleichbleibenden Beats, irgendwann entscheidet, zu tanzen und
dann tanzt, bis man keine Lust mehr hat, einem die Musik nicht mehr gefällt oder man
einfach zu erschöpft ist. In der einschlägigen Literatur werden die angenommenen
psychischen und physischen Wirkungen stundenlangen Tanzens immer wieder mit dem Schlagwort
Trancezustand und rituellen Stammestänzen afrikanischer, südamerikanischer oder
asiatischer Völker verglichen, (ANM: vgl. Abschnitt 4.3.) was allerdings den Rahmen der
überprüfbaren und daher verwendbaren Aussagen sprengt.
Techno-Parties als Ereigniskultur
Die Techno-Kultur kann zweifellos als eine Kultur des Ereignisses bezeichnet werden.
An Reizen und von den beteiligten Individuen zu verarbeitenden Informationen kann es im
Prinzip gar nicht genug geben. Als relevanteste materielle Ebenen dieser Ereigniskultur
sind zu nennen:
- Die Musik
Techno-Musik funktioniert rhythmisch primär über die Struktur der Repetetion. Häufig
liegen in der Musik jedoch noch andere Tonspuren über der quasi die Basis bildenden
repetetiven Rhythmusspur. Dabei handelt es sich entweder um Takt-Spuren, die bisweilen
ihre Struktur verändern, manchmal kurzzeitig verstummen oder in sich kollabieren. Weiter
finden oft gesampelte Geräusche aller Art ihre Verwendung. Im steten Fluß der
rhythmischen Musik stellen dies quasi Sound-Ereignisse dar.
Die Musik wird auf Parties unglaublich laut abgespielt, Gespräche sind daher kaum
führbar. Insbesondere die Vibrationen der lauten Bassfrequenzen führen oft dazu, daß
die Musik nicht nur akustisch gehört, sondern auch körperlich gefühlt werden kann.
Diese körperliche Dimension des Konsums von Musik muß als Stimulierung einer im Alltag
kaum auftretenden sensuellen Ebene menschlicher Wahrnehmung angesehen werden und stützt
daher die These von der Ereigniskultur.
- Auswahl und visuelle Gestaltung des Party-Ortes
Techno-Parties können prinzipiell zunächst einmal überall stattfinden. Neben den
regulären Veranstaltungen in Discotheken und Clubs finden immer wieder ein- oder
mehrmahlige Parties in anderen Räumlichkeiten statt. Häufig ist dabei die Auswahl der
Location bereits Teil des ästhetischen Konzepts der Party. Häufig feiert man in
stillgelegten Industrieanlagen und im Sommer finden viele Parties im Freien statt.
Darüber hinaus werden die Locations meist mit besonderen Dekorationen versehen. Diese
Dekorationen variieren von Party zu Party, sind von der jeweiligen (musik-)stilistischen
Ausrichtung abhängig und können prinzipiell aus allen vorstellbaren Materialien
bestehen. Oft findet sich auf den die Party ankündigenden Flyern neben dem Ort, der Zeit
und den DJ`s auch die Information, wer die Dekoration der betreffenden Party besorgt.
- Licht, Visuals, Videos
Neben üblicher Discothekenbeleuchtung wie bunten Scheinwerfern und aufwendigen
Licht-Projektionen, finden auf Techno-Parties vor allem Stroboskop und Nebelmaschine
häufige Verwendung. Darüber hinaus werden oft weitere visuelle Formen wie Dia- und
Videoprojektion hinzugezogen. Der Inhalt letzterer ist mehr oder weniger beliebig, hier
kann prinzipiell alles, von den eigenen Urlaubsfotos über Farbkleckse bis zu
aufgezeichneten TV-Sendungen verwendet werden.
- Drogen
Fraglos werden auf Techno-Parties illegale Drogen konsumiert. Als die Droge der
Techno-Kultur schlechthin gilt dabei im allgemeinen Ecstasy (MDMA). Auch Speed
(Amphetamine), Haschisch/Marihuana/Cannabis, LSD und Kokain können hier genannt werden.
Die sozialen Konsequenzen des ausgeprägten Drogenkonsums in der Techno-Kultur können nur
sehr grob und spekulativ umrissen werden. Fürs Erste mag es genügen, von der großen
Verbreitung und Akzeptanz des Drogengebrauchs darauf zu schließen, daß die sozialen
Praxen und Verhaltensweisen der Einzelnen im Rahmen Techno-Kultur maßgeblich von dieser
Drogen-Kultur zumindest mit-beeinflusst werden. Darüber hinaus kann, ohne in
schwärmerische Diskurse der Apologie des Drogenkonsums einzustimmen, davon ausgegangen
werden, daß die enorme Verbreitung und Akzeptanz von Drogen die These von der
Techno-Kultur als einer Ereigniskultur stützt und noch einmal unterstreicht.