3.5.2. Zur Funktion
         von Sprache

"Haben sie auf den Seiten der Zeitungen oder Magazine schon einmal ihr Leben ausgebreitet gefunden, und meistens schief? Ihre Sprechweise, Ihr Einkommen, Ihre Gewohnheiten in Liebesdingen? Mit welchem Recht hat man sie derart zerlegt? Um der Wissenschaft und der Wahrheit willen, zum Wohle der Menschen, um der Kur willen. In Wirklichkeit um Geldeslohn oder wissenschaftlichen Ruhm. Haben sie bemerkt, daß sich die Neugier stets auf die Toten und die wehrlosen Schwachen richtet, nie auf die Mächtigen? Die Subjekte der Humanwissenschaften unterscheiden sich von deren Objekten - keineswegs handelt es sich um die gleichen Menschen." (ANM: Michel Serres, Der Hermaphrodit, S. 51)

Bereits in der auswertenden Analyse von Publikationen aus der Techno-Kultur (ANM: Vgl. Kapitel 3.4.) konnte festgestellt werden, daß die zentrale Organisations- und Erlebnisform dieser Kultur, Parties und Raves, nur unter sehr spezifischen Aspekten eine Rolle spielt. Zwar werden Parties ausführlich angekündigt und nachbesprochen, doch wird dabei kaum das Terrain aufbereitet, das sich vielleicht zunächst unter dem Fragenkatalog
was passiert auf einer Party?
welche Erfahrungen und Erlebnisse machen die Einzelnen hier?
was passiert mit ihnen?
welchen Stellenwert hat dieses auf Parties Erfahrene und Erlebte für sie?
welche Rückwirkungen haben diese Erfahrungen und Erlebnisse für ihren konkreten Alltag?
zusammenfassen lässt.

Die sozialen und psychologischen Aspekte der Alltagspraxen der Beteiligten im Referenzrahmen Techno-Kultur bleiben so weitgehend außen vor. Ihre Explikation und Diskussion findet in den untersuchten Zeitschriftenformaten definitiv nicht statt.

Eine erste mögliche Begründung leitet sich aus der empirischen Erfahrung ab, wie Techno-Parties funktionieren. Im Mittelpunkt steht die Tanzfläche und daher gilt eigentlich immer: prinzipiell ist es einfach zu laut, um sich zu unterhalten. "Daß man in Sprechblasen spricht, dafür sorgt allein schon die Geräuschkulisse". (ANM: Thomas Haemmerli, Das Lebensgefühl, S. 185) Zwar kann man jederzeit den Raum verlassen, um sich zu unterhalten, dennoch bleibt das Faktum bestehen, daß die zentrale Praktik einer Party, das Tanzen, weitgehend mit der Praktik des Sprechens und Sichunterhaltens unvereinbar ist. Jan Engelmann spricht daher vom "nicht-diskursiven Tanz-Ereignis". (ANM: Jan Engelmann, Honeymoon, Exzeß uund Runterkommen, in: Spex 4-97, S. 58)

Die enorme Lautstärke, mit der die Musik in der Regel abgespielt wird, kann dabei bereits als nächster Hinweis genommen werden: Es kann formuliert werden, daá Techno-Musik daher nicht nur akustisch gehört, sondern auch physisch wahrgenommen wird. Insbesondere die Bassfrequenzen, die bisweilen - rein motorisch - körperliche Vibrationen auslösen, können hier belegend angeführt werden.

Nach der vorangegangenen Bestandsaufnahme der Diskurse in den Techno-Publikationen kann darüber hinaus formuliert werden, daß dort kaum Aussagestile und Sprachformen gefunden wurden, die in der Lage sein dürften, über diese Aspekte der Alltagspraktiken zu sprechen.

Aufgrund all dieser Indizien kann gefolgert werden, daß das Nicht-Zur-Sprache-Kommen dieser Themen wohl schwerlich nur auf einem zufälligen Ver- oder Übersehen beruht. Vielmehr kann es wohl kaum ohne eine ihm zugrundeliegende Systematik vorgestellt werden.

Im Folgenden soll nun annäherungsweise diese Systematik erörtert werden.


Erste Annäherung an die Funktion der Sprache

Einen möglichen Ansatzpunkt liefert Michael Kerkmann, der nun etwas ausführlicher zu Wort kommt:

"Für Leute, die sich schon lange in der Elektronikwelt aufhalten, stellt sich das Problem von seiner anderen Seite. Die prinzipielle Verweigerungshaltung, die hier gegenüber einer bestimmten Form von Kommunikation hergestellt wurde, resultierend in einer informellen Ausgrenzung, hat ihren Grund wohl in dem Umstand, daß die Definitionsmacht meist den anderen gehört. Aus diesem Grund besteht die Befürchtung, daß Freiräume durch Beschreibung und Eingliederung in einen umfassenden begrifflichen Kosmos zunichte gemacht werden könnten. Wenn die Gehirnpolizei ab und zu auf Kontrollgang geht, macht man lieber die Clubtür leise zu und will nur die drinnen haben, die das Angebot zur unmittelbaren Erfahrung annehmen, nicht dagegen die Spielverderber. Sprache, dieses ungenügende, vorläufige Etwas. Ein Angriffsziel von Tanzmusik, nicht erst seit Techno, ist nun einmal das übernervöse Bewußtsein, der innere Schauplatz, auf dem sich das Ungenügen an den äußeren Umständen aufhält. Hier wird Musik als Erfahrung für den ganzen Körper gesetzt, und diese Erfahrung kann man sprachlich, also zeitlich nachgeordnet, nicht in ausreichendem Maáe vermitteln. Wie David Bowie einst sang: "All that happened in the past happens in your mind/Forget your mind and you'll be free" ("Fill your heart", 1971). Da mußt du schon hinkommen, soll sich deine körpereigene Elektrik mit den außerhalb von ihr liegenden Feldern austauschen. Life's a Gas, ein Strom. Wenn man dies thematisiert, dann weil man sich den denkbar größtmöglichen Rahmen geben will - und gleichzeitig den denkbar kleinsten. Sprache erzeugt Distanz und Differenz, so wie auch Distanz Sprache schafft, während im Erleben die Sprache an Relevanz verliert." (ANM: Michael Kerkmann, Paroles, Polkas und Parolen, Spex 11-96, S. 34)

Kerkmann unterstellt also der skizzierten Problematik gleichfalls eine sie konstituierende Systematik. Er beschreibt eine "prinzipielle Verweigerungshaltung (...) gegenüber einer bestimmten Form von Kommunikation" in der Techno-Kultur. Diese bestimmte Form von Kommunikation spezifiziert sich zuvor im Text, in dem sie einer Haltung zugewiesen wird, die die Wirkungsweise der Musik auf die Körper folgendermaßen wahrnimmt und beschreibt: Die Musik wird als "Untermalung empfunden, die auf weniger Aufmerksamkeit stösst und so die Abwehrkräfte mit der Folge entschärft, daß man als kalte, willenlose Datenmasse zurückbleibt. Früher nannte man das Manipulation." (ANM: Ebd.)

In einen breiteren Zusammenhang kann die Haltung auch als Art und Weise bezeichnet werden, wie eine Herangehensweise an Musik, für die das Magazin Spex und dessen Redakteur Kerkmann steht, der Techno-Kultur gegenübertritt.
Für diese Herangehensweise funktioniert Sprache nach Kerkmann - wie schon bei Rainald Goetz (ANM: Vgl. Abschnitt 3.3. - gewissermaßen wie ein blockierendes Element, wenn es darum gehen soll, Erlebnisse und unmittelbare Erfahrungen zuzulassen. Genau die Komponente körperlicher Erfahrung setzt er jedoch als primäre Erfahrungsform in der Techno-Kultur an. Kerkmann geht davon aus, daß Techno-Musik und der Besuch von Techno-Parties Erlebnis- und Erfahrungswelten produziert, die "für den ganzen Körper gesetzt" sind. Daher ist der skizzierte Diskurstyp, für den Spex steht, hier zweifellos fehl am Platz.

Daher stellt Michael Kerkmann in den Vordergrund, daß in der Techno-Kultur "Musik als Erfahrung für den ganzen Körper"(ANM: Ebd.) gesetzt wird. Diese Perspektive - die vielleicht als ganzheitlich bezeichnet werden könnte, wäre der Begriff nicht einschlägig esoterisch besetzt - situiert die Sprache derart, daß sie ohnehin keinen Zugriff auf die relevanten Erfahrungs- und Erlebnisweisen in der Techno-Kultur besitzt. Sprache hat demnach nicht nur keinen Zugriff hierauf, sondern scheidet gleichzeitig als infragekommende soziale Praktik aus, die in der Lage wäre, an dieser primären Erfahrungs- und Erlebnisweise zu partizipieren. Sprache kann sich für Kerkmann nur zeitlich nachgeordnet zu dieser äußern.

Kerkmanns Argumentation zufolge ist Sprache zwar in der Lage, sich zum Thema Techno und auch den sozialen und psychologischen Aspekten der im Rahmen Techno-Kultur gängigen Alltagspraxen zu äußern, nur können sprachliche Aussagen diese kaum fassen und darüber hinaus schwerlich Einfluß auf diese Alltagspraxen nehmen. Sprache ist demnach nicht in der Lage, jene Erlebnisweisen, auf welche Art auch immer, zu affizieren.
Der dargestellte Zusammenhang kann als mögliche Begründung der insgesamt doch deutlich relativierten Bedeutung von Sprache in der Techno-Kultur genommen werden.

Aufgrund der Rolle, die Drogen in der Techno-Kultur spielen, (ANM: Vgl. Abschnitt 4.3.4) korrespondiert dieser Gedankengang vielleicht nicht ganz zufällig mit Problemen, auf die man stösst, wenn man sich beispielsweise mit den sozialen und psychologischen Aspekten von Drogenkonsum beschäftigt. Hier findet sich tendenziell die gleiche Situation einer hilflosen Sprache wieder. Das von Kerkmann skizzierte Bild entspricht daher weitgehend jenem, das Avital Ronell entwirft, wenn sie sich zur Problematik, über Drogenerfahrungen zu sprechen, äußert:

"Dieses Objekt widersetzt sich der Enthüllung seiner Wahrheit bis zu dem Grad, daß es den Status der absoluten Andersheit bewahrt. Gleichwohl hat es Gesetze und moralische Erklärungen hervorgerufen. Diese Tatsache an sich ist nicht alarmierend. Das Problem zeigt sich anderswo: In der Erschöpfung der Sprache. Wohin könnte man sich heute wenden, welche Quelle kann man heute erschließen, wenn man eine angemessene Konstativität aktivieren will?" (ANM: Avital Ronell, Drogenkriege, S.65)

Kerkmanns Aussagen entsprechen einigen Ergebnissen der bisherigen Untersuchung. An erster Stelle kann hier das analysierte Verhältnis des Textes aus "Der Partysan" zu Mustern reflexiver Diskurse genommen werden. Dort fand sich die Abwesenheit der Verwendung der reflexiv verstandenen Kategorie der Bedeutung. Insbesondere die Kategorie der Bedeutung, gefasst als Begriff, dessen Verwendung einen ganzen Raum schier unermeßlichen Sprechens eröffnet, muß als zentrale Form der Produktion reflexiver und analytischer Diskurse angesehen werden. Als solche tauchte sie nun im untersuchten Text nicht auf und es konnte gleichfalls auf eine herrschende Systematik, die diesem Nichtauftauchen zugrunde lag, geschlossen werden.

Als zweiter Korrespondenzpunkt kann die von Rainald Goetz formulierte These, dernach das kritisch-reflexive Denken als Technik der Negativität bestimmt ist, angegeben werden. Derart bestimmt, findet sie ihre emphatischste Formulierung im Goetzschen Postulat: "Sprache: No. Yes, ein konkretes Leben."
Auf noch drastischere Art fassen Böpple/Knüfer den Zusammenhang mit der prägnanten Formulierung "Schweiß eint, Geist trennt." (ANM: Friedhelm Böppple/Ralf Knüfer, Generation XTC, S. 101) zusammen.

Den Gedanken der Inkompatibilität zwischen den Erfahrungsweisen in der Techno-Kultur und kritisch-reflexiven Diskursen artikuliert gleichfalls Thomas Haemmerli, wenn auch auf sehr persönliche Weise: "Ewiges Schandmaul, das ich bin, will mir am Rave doch nie nix Böses einfallen, will partout kein Sarkasmus und kein Bonmot über meine Lippen." (ANM: Thomas Haemmerli, Das Lebensgefühl, S. 185)

Auch Haemmerli beschreibt die Techno-Kultur derart, daß er ihr eine der Goetzschen vergleichbare höchst individualistische Ethik zuweist: "Das Mentalitätsmodell, das zu Techno gehört, ist affirmativ. Techno ist ein Testlabor für ein nahezu reibungsfreies Nebeneinander. Du kannst tun und lassen, was du willst, niemand wird daran Anstoß nehmen. Am Mega-Rave kannst du im Vorraum am Boden liegen und ein Ohr voll Schlaf nehmen, bewußtlos oder tot sein, niemand wird dich dabei stören." (ANM: Thomas Haemmerli, Das Lebensgefühl, S. 186f)


Sprache, Normativität und Ethik

Innerhalb dieser etwas polemischen ethischen Maßgabe kann auch die Funktion von Sprache der Techno-Kultur situiert werden.
Dabei kann man davon ausgehen, daß die Ethik die Verwendung von Sprachformen befördert, die sich den Vorgaben jenes strikten Individualismus konform konstituieren und demgemäß verfasst sind.

Michel Foucault unterscheidet zwischen zwei grundsätzlichen Typen ethischer Systematik. Bezüglich des ersten gilt, "(...) daß in bestimmten Moralen der Akzent vornehmlich auf dem Code liegt: seiner Systematizität, seinem Reichtum, seiner Fähigkeit, sich an alle möglichen Fälle anzupassen und alle Verhaltensbereiche abzudecken; in solchen Moralen ist das Wichtige auf seiten der Autoritätsinstanzen zu suchen, die diesem Code Geltung verschaffen, seine Erlernung und Beachtung durchsetzen, die Übertretungen sanktionieren; unter diesen Bedingungen vollzieht sich die Subjektivierung hauptsächlich in einer quasi juridischen Form, in der sich das Moralsubjekt auf ein Gesetz oder ein Ensemble von Gesetzen bezieht, denen es sich unterwerfen muß, widrigenfalls es einer Bestrafung verf"llt." (ANM: Michel Foucault, Der Gebrauch der Lüste, S. 41)

Die Techno-Kultur kann kaum als derart verfasster sozialer Zusammenhang bezeichnet werden. Wie gezeigt, findet sich hier keinesfalls ein Code, der etwas durchsetzt, unterwirft, vorschreibt oder sanktioniert. Die Sprache funktioniert hier alles andere als in der Weise, Gesetze und Vorschriften zu formulieren, an denen sich das konkrete Verhalten der Individiuen zu orientieren hätte. Ganz im Gegenteil, scheinen hier gerade die Funktionsweisen von Sprache, die darin bestehen, durch explizite Aussagen normativ auf die Individuen einzuwirken und die sich hieraus ergebenden Modelle des juridischen Bezugs von Sprache auf die konkreten Indivduen, weitgehend suspendiert. (ANM: Es existiert also kein verschriftetes ethisches Normsystem, dessen Einhaltung quasi einklagbar wäre. Es könnte die These entwickelt und überprüft werden, ob der Aspekt der nicht vorhandenen Songtexte diesbezüglich die Techno-Kultur von anderen Pop- und Jugendkulturen differenziert. ...) Viel eher entspricht da schon Foucaults zweite Skizze einer ethischen Systematik derjenigen, die sich in der Techno-Kultur vorfindet:

"Andererseits lassen sich Moralen denken, in denen das starke und dynamische Moment auf seiten der Subjektivierungsformen und Selbstpraktiken zu suchen ist. In diesem Fall kann das System der Codes und der Verhaltensregeln ziemlich rudimentär sein. Seine genaue Beachtung kann relativ unwesentlich sein - jedenfalls im Vergleich zu dem, was vom Individuum verlangt wird, damit es sich in seinem Verhältnis zu ihm selber, in seinen verschiedenen Handlungen, Gedanken oder Gefühlen als Moralsubjekt konstituiert." (ANM: Michel Foucault, Der Gebrauch der Lüste, S. 42)

Zumindest bezüglich der sozialen und die Beziehungen der Individuen reglementierenden Funktion von Sprache kann die Techno-Kultur diesem Typus zugeordnet werden. Denn zweifellos findet sich hier ein "rudimentärer Code" vor, der kaum über Facetten verfügt, die im Sinne der Entfaltung einer expliziert codierten Normativität auf die verwickelten Individuen abzielen.


Zweite Annäherung an die Funktion der Sprache

Der Zusammenhang des Nicht-Auftauchens der sozialen und psychologischen Aspekte der Alltagspraxen in den Diskursen der Techno-Kultur kann mit Susan Sontags Credo der Camp-Kultur verglichen werden: "Eine Erlebnisweise zu beschreiben ist fast - aber nicht ganz - unmöglich. Jede Erlebnisweise, die in das starre Schema eines Systems gezwängt oder mit dem groben Werkzeug des Beweises behandelt werden kann, hört auf, eine Erlebnisweise zu sein. Sie ist zur Idee verhärtet." (ANM: Susan Sontag, Anmerkungen zu Camp, S. 42)

Ihre Beschreibung kann als genauere Spezifikation dessen genommen werden, was Rainald Goetz unter der Negativität reflexiven und analytischen Denkens fasst. Zugespitzt formuliert, würde demnach jede schematisierende und systematisierende Beschreibung ihren Gegenstand, also die beschriebenen Erlebnisse, quasi entwerten und ihm Gewalt antun.

Zu den Problemen des fehlenden Zugriffs von Sprache auf die Erfahrungsweisen und des hiermit verwandten Aspekts der stets zeitlichen Nachordnung der sprachlichen Performanzen käme quasi noch hinzu, daß die Verwendung beschreibender Sprache mit der Zerstörung der Möglichkeit, die im Techno angebotenen Erfahrungs- und Erlebnismuster wahrzunehmen, einherginge.

Sontags Argumentation unterstellt dabei eine besondere Beziehung zwischen den Kategorien der Wahrheit, des Diskurses und den Praktiken der Individuen, die ich kurz darstellen werde.
In ihrem Gedanken konstruiert Sontag eine Figur, dernach die Diskursivierung von Erlebnisweisen diese entwertet. Die diesen Erlebnisweisen konkret zugrundeliegenden Praxen verlieren die Fähigkeit, diese Erlebnisweisen überhaupt zu produzieren. Die Hinweise auf das starre "Schema eines Systems" und das "grobe Werkzeug des Beweises" deuten darauf hin, daß die gemeinten Beschreibungsweisen der Verfaßtheit wissenschaftlicher und analytischer Diskurse vergleichbar sind, die sich auf den Wahrheitstypus beziehen, der das Wahrheitskriterium als der Sprache vorgängiges situiert.

Das Beschreiben von Erlebnisweisen in Diskursen dieses Wahrheitstypus verunmöglicht nach dieser Lesart die Aufrechterhaltung dieser konkreten Erlebnisweise. Die Praktiken der Individuen, die diese Erlebnisweise konstituierten, werden durch den die Wahrheit sagenden Diskurs entwertet und in ihrer Funktion, Erlebnisweisen zu generieren, suspendiert.

Mit dieser Figur kann nun die diskursive Abwesenheit der sozialen und psychologischen Aspekte der Alltagspraxen in der Techno-Kultur zu erklären versucht werden. Im diesem Sinne kann diese Abwesenheit als eine systematische verstanden werden, die gewährleistet, daß die konkreten Alltagspraxen in der Techno-Kultur den Status beibehalten, Erlebnisweisen für die Individuen produzieren zu können.
Demnach würde das Thema der Alltagspraxen in den Techno-Zeitschriften systematisch ausgeklammert, da dessen Diskursivierung möglicherweise zu dem führen könnte, was Sontag als Aufhören der Erlebnisweise und deren Verhärtung zur Idee beschreibt.

Ganz ähnliches artikuliert beispielsweise Jan Engelmann, der formuliert, daß in der Techno-Kultur "(...) der Gegner weniger in der Polizei und deren Einsperrungs- und Überwachungspraktiken gesehen wird, als in der Presse, die Informationen über den Underground verfügbar macht, das nicht-diskursive Tanzereignis diskursiviert (...)" (ANM: Jan Engelmann, Honeymoon, Exzeß und Runterkommen, in: Spex 4-97, S. 58)