Foucaults Aussagen zur Kategorie des Autors finden sich verstreut über seine gesamten
Schriften und Interviews. Dabei kämpft er auch immer wieder vor allem in Vor- und
Nachworten zu seinen Büchern damit, für sich selbst und sein Schreiben die Funktion
Autor außer Kraft zu setzen und wünscht sich beispielsweise, anonym zu schreiben oder
tritt als "Der Philosoph mit der Maske" auf. (ANM: Christian Delacampagne: Der
Philosoph mit der Maske (Interview mit Michel Foucault)
Als zusammenfassenden Überblick seiner Arbeiten zur Autorfunktion bietet sich die
Transkription eines Vortrags an, den er 1969 vor der Französischen Gesellschaft für
Philosophie hielt und der unter dem Titel "Was ist ein Autor?" vorliegt.
Der Autorbegriff stellt demnach den "Angelpunkt für die Individualierung in der
Geistes-, Ideen- und Literaturgeschichte, auch in der Philosphie- und
Wissenschaftsgeschichte" (ANM: Michel Foucault, Was ist ein Autor?, S. 10) dar.
Foucault konstatiert zwar: "Es wäre sicherlich absurd, die Existenz des schreibenden
und erfindenden Individuums zu leugnen" (ANM: Michel Foucault, Die Ordnung des
Diskurses, S. 21), dennoch gilt: "schon seit geraumer Zeit haben Kritik uhd
Philosophie von diesem Verschwinden oder diesem Tod des Autors Kenntnis genommen."
(ANM: Michel Foucault, Was ist ein Autor?, S. 12)
In den häufig an die zentrale und ehedem vom Autor besetzte Stelle tretenden Begriffen
des Werks und des Schreibens sieht Foucault mißlungene Versuche, sich der Autorkategorie
zu entledigen. Beide Begriffe können nicht ohne den implizierten Begriff des Autors
gedacht werden. Indem ihre Verwendung den Anspruch hegt, die Autorkategorie systematisch
zu negieren, setzt sie diese wieder negativ in den Rang eines konstituierenden
Stifterbegriffs ein.
Die Funktion Autor
Die vertiefende Analyse beginnt beim Namen des Autors. Dieser hat eine bestimmte
Funktion im Diskurs: er dient zur Klassifikation, mit ihm können Texte gruppiert,
abgegrenzt und in Bezug gesetzt, andere ausgeschlossen und entgegengestellt werden.
Die Kategorie Autor bringt also eine bestimmte Gruppe von Diskursen in einer bestimmten
Seinsweise hervor, erst sie gruppiert diese Diskurse. Ausgangspunkt der Überlegungen zum
Autor ist also nicht dessen konkrete Person, sondern die Beschreibung des Autors als einer
spezifischen Funktion. Diese Autorfunktion macht aus einem Individuum erst einen Autor.
Foucault gibt vier Merkmale an, an denen die Funktion Autor erkennbar ist:
Foucaults kritische Analyse der Funktion Autor muß auch als Kritik der sozialen
Kategorie Autor verstanden werden. Die Funktion stellt fraglos nichts weiter als ein
Ordnungsprinzip der Diskurse dar, verknappt und gruppiert diese. Darüber hinaus fungiert
der Autor als Prinzip, das den Mittelpunkt des Zusammenhalts dieser gruppierten Diskurse
darstellt, und diesen als Einheit und Ursprung ihrer Bedeutungen dient. "Man
verlangt, daß der Autor von der Einheit der Texte, die man unter seinen Namen stellt,
Rechenschaft ablegt; man verlangt von ihm, den verborgenen Sinn, der sie durchkreuzt, zu
offenbaren oder zumindest in sich zu tragen. Man verlangt von ihm, sie in sein
persönliches Leben, in seine gelebten Erfahrungen, in ihre wirkliche Geschichte
einzufügen. Der Autor ist dasjenige, was der beunruhigenden Sprache (...) ihre Einheiten,
ihren Zusammenhang, ihre Einfügung in das Wirkliche gibt." (ANM: Michel Foucault,
Die Ordnung des Diskurses, S. 21)
Zusammenfassend stellt die Funktion Autor zunächst ein allgemeines Prinzip dar, nach dem
Diskurse gruppiert, geordnet und kontextualisiert werden.
Sie ist über die juridische Ebene der Kategorie des Eigentums von Diskursen
beziehungsweise - allgemeiner gefaßt - kultureller Zeichen und Produkte an das Rechts-
und Staatssystem angebunden.
Als allgemeinste Beschreibung der Wirkungsweise der Autorfunktion können die vier
Prinzipien des heiligen Hiernonymus angegeben werden: die Kriterien des konstanten
Wertniveus, begrifflicher Zusammenhang, stilistische Einheit und der Autor als
historischer Punkt konstituieren die Funktion Autor.