Die Foucaultschen Vorgaben
Vorab muß sich eines zentralen Problems vergegenwärtigt werden: Michel Foucaults
Analysen zur Kategorie des Autors beziehen sich auf Untersuchungen der Philosophie-,
Literatur- und Wissenschaftsgeschichte. Insofern ist auch das theoretische Konzept der
Autorfunktion aus denselben abgeleitet und entwickelt worden. Das zugrundeliegende
textliche Material ist demzufolge wissenschaftlicher Art.
Foucault schränkt seine Arbeit selbst ein: Er "möchte (...) die
historisch-soziologische Analyse der Autor-Person beiseitelassen" und lediglich
"den Bezug Text-Autor ins Auge fassen, die Art, in der der Text auf die Figur
verweist, die ihm, wenigstens dem Anschein nach, äußerlich ist und ihm vorausgeht."
(ANM: Michel Foucault, Was ist ein Autor?, S. 10)
Diese Autor-Person wird jedoch in der folgenden Untersuchung durchaus eine Rolle spielen.
Es wird zu diskutieren sein, inwiefern der DJ als Musiker, Komponist und damit in Rollen,
die potentiell dem Autor vergleichbar sind, inszeniert wird.
Daher wird die Techno-Kultur unter dem Aspekt der Vergleichbarkeit der Kategorie Autor und
mit den dort vorliegenden potentiellen Äquivalenten des DJ's in seinen Rollen als
Komponist und Musiker diskutiert.
Die theoretische Vorlage Foucaults kann etwa so zusammengefaßt werden: ich gehe davon
aus, daß sich die Funktion und auch die soziale Kategorie Autor erst im Diskurs, also
durch die Sprachspiele herstellt. Sie ist diesen nicht vorgängig und somit nicht an sich
gegeben. Der Autor ist nicht gleich der Produzent der kulturellen Zeichen. Zu untersuchen
ist, ob und vor allem wie Funktion und Figur produziert werden. Argumentativ wird sich das
weitere Vorgehen an den von Foucault gegebenen vier Erkennungsmerkmalen der Autorfunktion
orientieren.
Im Folgenden soll die Figur des DJ's als potentiellem Entwurf des Autor-Künstler-Subjekts
in der Techno-Kultur anhand der mit Foucault erarbeiteten Begrifflichkeiten analysiert
werden. Dabei werde ich zwischen dem Produzenten von Techno-Musik, verstanden als
Plattenproduzent, und dem quasi live Platten auflegenden DJ unterscheiden. Es wird zu
klären sein, inwieweit in der Techno-Kultur Organisationsweisen und Phänomene vorliegen,
die die Gültigkeit der Autor-Funktion infragestellen, suspendieren oder zu einer
Neu-Definition dieser zwingen.
Weiter ist gleichfalls zu fragen, welche Mechanismen andererseits wirken, um der
Autorfunktion zur Gültigkeit zu verhelfen.
Es soll also diskutiert werden, wie sich die Autorfunktion konkret in der Techno-Kultur
entfaltet. Von besonderem Interesse sind dabei die Modifikationen und Verschiebungen, die
sie im Vergleich zu ihrer Existenz in anderen kulturellen Formationen erfährt.
Der Autor und die fehlende Stimme
Im Kontext der Frage nach dem Autor kann zunächst die bereits in Abschnitt 3.2.
analysierte Tatsache, daß in Techno-Musik in der Regel weder gesungen noch gesprochen
wird, noch einmal aufgegriffen werden. Die Existenz von Gesang und eine dominante Rolle
der menschlichen Stimme stellen fraglos ein weitgehend übereinstimmendes Spezifikum von
Popmusiken der letzten Jahrzehnte dar. Diesbezüglich unterscheidet sich Techno-Musik
substantiell von fast allen anderen popmusikalischen Stilen. (ANM: Sicherlich gibt es auch
hier Ausnahmen. ...)
Es kann formuliert werden, daß die Abwesenheit der menschlichen Stimme sicherlich einen
wesentlichen Einschnitt darstellt, mittels dessen sich die Techno-Musik auch hinsichtlich
der Existenz eines sich in der Musik ausdrückenden schöpferischen Subjekts, deutlich von
anderen Popmusiken unterscheidet. Die Verwendung der menschlichen Stimme, deren Gesang
zudem meist eine Geschichte erzählt, kann als eine der wichtigsten Techniken bezeichnet
werden, mittels der in der Popmusik das Thema des Autors, des schöpferischen Künstlers
und des Subjekts installiert und somit erst produziert wird. Wie in 3.2. gezeigt, kann
diese Bewegung, die Techno-Musik gegenüber anderen Popmusiken vollzieht, mit Roland
Barthes als Dekonstruktion des Zuhörens beschrieben werden.