4.3.4. Die Funktion
         des Drogengebrauchs

"Die Techno-Szene - man kommt nicht darum herum, es festzustellen - ist eine veritable Drogenszene."
(ANM: Patrick Walder, Technodrogen, S.193)

Nicht von ungefähr erfolgte das erste massenmediale Notiznehmen der Techno-Kultur über die Aneinanderkopplung der Thematik Techno an das skandalisierende Thema Drogen. (ANM: 1991 erschien in der BILD-Zeitung ein Artikel mit dem Titel "Mit der Pille zum Höllentanz", Autor: Marcus Heidemanns. Dessen Entstehungsweise ist mittlerweile dokumentiert in: Friedhelm Böpple/Ralf Knüfer, Generation XTC, S. 105ff)

Helmut Ahrens, ein Berliner Soziologe, der ausführlich über Techno-Drogen gearbeitet hat, dessen Texte früher häufig in Frontpage veröffentlicht wurden und der keinesfalls der Hysterisierungs-Richtung der Yellow Press zugeordnet werden kann, vermutet daher:
"Höchstwahrscheinlich sind es 30-40% der Besucher von Techno-Parties und Raves, die manchmal oder häufig (...) Partydrogen mit dem Schwerpunkt Ecstasy und Speed" konsumieren. (Ahrens, Be Aware!, Frontpage 5.95, S.?)
Neben den akzeptierten und legalen Volksdrogen Alkohol und Nikotin, gilt Ecstasy im allgemeinen als die Droge der Techno-Kultur schlechthin. Der Besitz und der Gebrauch von Ecstasy ist in der BRD gesetzlich verboten, daher beschafft man es sich illegal für etwa 20 bis 30,- DM pro Tablette bei sogenannten Dealern. Eine Qualitätskontrolle bezüglich der jeweils enthaltenen Wirkstoffe ist so nicht gegeben. Ecstasy, dessen chemische Substanz MDMA ist und das im Techno-Slang oft auch als "E", "XTC" oder einfach nur als "Pille" bezeichnet wird, nimmt man in der Regel als Tablette zu sich und wird oft als Glücksdroge bezeichnet.

"Die Droge verbindet zwei gegensätzliche Wirkungen, Anregung und Entspannung, und fügt eine feine einfühlende Eigenschaft hinzu." (ANM: Patrick Walder/Günther Amendt, Ecstasy & Co, S. 18) Ein Ecstasy wirkt etwa 4-6 Stunden lang und seine psychische Wirkung "wird von Konsumenten, zumindest zu Anfang ihres Drogengebrauchs, oft so umschrieben:
Gesteigertes Selbstwertgefühl; Gefühle der Entspannung, von Wärme und Liebe; Offenheit gegenüber dem eigenen Innenleben; Abbau von Hemmungen gegenüber anderen Menschen; geistige Klarheit, seelische Ausgeglichenheit; große Akzeptanz und Mitgefühl gegenüber anderen; Gefühl unerschöpflicher Energie; Steigerung der Erlebnisintensität." (ANM: Patrick Walder/Günther Amendt, Ecstasy & Co, S. 19)

Mit Speed, also Amphetaminen, die meist in Pulverform durch die Nase geschnupft werden, kann die zweite gängige Techno-Droge genannt werden, die im Gegensatz zu Ecstasy nicht psychisch, sondern ausschließlich körperlich leistungsfördernd wirkt. Darüber hinaus ist Cannabis (Haschisch, Marihuana) weit verbreitet, das auch insbesondere dazu dient, nach einem `Ecstasy-Trip` allmählich die Party ausklingen zu lassen.
In einzelnen Techno-Segmenten spielt LSD eine Rolle und wer das Geld dafür hat, läßt es sich, wie überall, mit Kokain gut gehen. Heroin und Crack als weitere bekannte Drogen tauchen im Rahmen Techno-Kultur nicht öfter als an anderen Stellen in der Gesellschaft auf.

Auf große Probleme stößt man, wenn die sozialen und psychologischen Wirkungen des Drogengebrauchs auf die konkreten Alltagspraxen der Konsumenten untersucht werden sollen. Die gesellschaftlich gängige Assoziationskette "Drogen - Sucht, Abhängigkeit - Sozialer Abstieg - Obdachlosigkeit, Beschaffungskriminalität - Drop Out-Existenz" gilt mit Sicherheit nicht für den Kontext des Drogengebrauchs in der Techno-Kultur. (ANM: Vgl. hierzu: Diedrich Diederichsen, Die Elenden & die Erlebenden, in: Die Beute 4/94, S. 11ff; Patrick Walder, Technodrogen, S. 196)

Mit Patrick Walder kann jedoch davon ausgegangen werden, daß der Faktor Drogengebrauch ein integraler Bestandteil der Techno-Kultur ist und daher auch die Verfaßtheit dieser Kultur zumindest mitbeeinflusst: "Ohne Drogen keine Marathonfeier. (...) Ecstasy ist nicht Voraussetzung, aber es ist stilprägend für diese Kultur; so wie Woodstock ohne LSD kaum denkbar war, wären Raves ohne XTC bloß Veranstaltungen zur körperlichen Ertüchtigung". (ANM: Patrick Walder, Technodrogen, S.195)

Die Wirkungsweise von Drogen kann allgemein derart angesetzt werden, daß diese in die Stimmungen, Wahrnehmungen, körperliche und psychische Leistungsfähigkeit des Individuum eingreifen und diese verändern. Für den Fall von Ecstasy können als allgemeine diesbezügliche Wirkungsweisen ein verändertes Zeitempfinden, größere Offenheit und geringere Abwehrhaltung im Umgamg mit anderen Individuen und eine Verringerung der Ängste angegeben werden. (ANM: Vgl. Patrick Walder/Günther Amerndt, Ecstasy & Co, S. 20)