Wie teuer sind deine Klamotten?

[daniel I] Was ich gerade anhabe ca. 80 Euro, ist halt Sommer.

[daniel II] Kombi aus Woolworth bzw. H&M und teurem Outdoor-Zeug.

[johannes] Irgendwas zwischen ›endless summer‹ und ›p&c‹.

[nr] Manche T-Shirts sind teuer (mehr als 20 Euro) manche Hemden billig (z. B. 4 Euro), manche Sachen sind (für mich) umsonst, weil meine Mutter sie mir schenkt (sie meint anscheinend, dass ich nicht angemessen – an was auch immer – gekleidet bin), manche Sachen sind billig, weil ich sie im Urlaub kaufe, wo sie entweder in ›sweatshops‹ oder in ›free production zones‹ hergestellt werden und deshalb vor Ort für wenig Geld zu haben sind. Die Jeans, die hier 85 Euro kosten und in ›sweatshops‹ oder in ›free production zones‹ hergestellt worden sind, kaufe ich dort für 15 Euro.

[vero] Habe mir lange nix gekauft, also schwer zu sagen, viel Geschenktes im Schrank. Hätte gerne coole Klamotten. Es ist ja so die Frage: narzisstische Falle / Konsumwahn vs. Schönsein als »natürliches Bedürfnis«? Bin zu arm, um in die Falle gehen zu können, ist vielleicht ganz gut, aber Sozialneid kenne ich durchaus.

Wie viele Stunden arbeitest du die Woche?

[daniel I] Ich denk mal so 35 Stunden bis 40 Stunden.

[daniel II] Normalerweise 26 Stunden Lohnarbeit, Angestelltenverhältnis. Lohn schwankt abhängig davon, wie gut der Laden läuft. Außerdem gebe ich Kurse in ›Contact Improvisation‹, das organisiere ich alles selbst.

[johannes] 5 1/2 Stunden.

[nr] 19,5 als Lohnarbeit und dann noch ca. 8 als Redakteurin. Den größten Teil des Rests der verbleibenden Zeit lese ich, schreibe Aufsätze oder Vorträge, putze die Treppe oder das Bad, nehme an Seminaren teil oder bereite welche vor, wasche Wäsche oder bügele, bereite Lektürekurse für theoriepraxislokal vor etc.

[vero] Ca. 40 Stunden fürs Studium im Krankenhaus (Medizin im letzten Jahr), sprich fürs Funktionieren des Gesundheitssystems; 11 bis 22 Stunden für Geld. Ersteres auch für meine Bildung; zweiteres für die Miete, Essen, Bier etc.

Und für wen? Für dich?

[daniel I] Yep, Ich-AG oder so ähnlich.

[daniel II] Einerseits für die GbR meiner drei Chefs, mit denen ich zusammenarbeite. Wir duzen uns »im Team«. Andererseits natürlich für mich (die Kurse), das läuft aber mehr so nebenher, am Wochenende oder in meinem bezahlten oder unbezahlten Urlaub.
[johannes] Für Menschen mit Kaffeewünschen.

[nr] Die Lohnarbeit mache ich an einem Institut, das zur Uni gehört, als Redakteurin für eine linke Monatszeitung und den Rest für mich und für die Kritik an der Gesellschaft.

[vero] Für mich lieg ich in der Sonne und lese.

Hat schon mal jemand für dich gearbeitet?

[daniel I] Ja, juchhu, einmal.

[daniel II] Nein, und das kommt auch gar nicht in die Tüte. Ausgeschlossen.

[nr] Das kommt darauf an, wie es gemeint ist. Selbstverständlich haben Leute schon für mich gearbeitet, in dem sie mir geholfen haben, indem sie Arbeiten gemacht haben, die ich nicht mehr gepackt habe, indem sie mir einfach einen Gefallen getan haben etc. Wenn die Frage meint, ob jemand für mich Lohnarbeit gemacht hat, dann verneine ich sie. Aber im Rahmen meiner Lohnarbeit gibt es eine Sekretärin, die ich bitten kann, mir Sachen abzunehmen.

[vero] Vielleicht eine Krankenschwester die mich im OP steril eingepackt hat? Vielleicht der Versorger, der mir ‘ne Kiste Bier gebracht hat, damit ich sie an der Bar verkaufen kann? Wohl eher ein Zusammenarbeiten, oder?

Bist du Vorgesetzte, Angestellte, Chefin?

[daniel I] Sklave meines schlechten Gewissens.

[daniel II] Angestellter, wie gesagt.

[johannes] An(ge)stell(t)e//r

[nr] Ich bin Angestellte im Institut. Vorgesetzte und Chefin bin ich nicht.

Blue or white collar?

[daniel I] No Collar, no tie, Spaß dabei.

[daniel II] Physiotherapeut würde ich als ›white collar‹ kategorisieren, Gesundheitssektor, nicht sonderlich gut bezahlt, Frauenberuf.

[johannes] Hä?

[nr] White.

[vero] Weißer Kittel = white collar, aber Studentin, das heißt: gar nix. Keine Identifizierung mit einer eventuell klassenkämpferisch wirksam werdenden Gruppe möglich. Scheine aber auch nicht so viel zu verpassen?!

Kannst du Arbeit und Freizeit trennen?

[daniel I] Nö, will ich auch nicht.

[daniel II] Was meinen Job als Physio betrifft: ja, ganz klar; das muss auch sein. Was meine Kurse betrifft: nein, den Anspruch hab ich auch nicht, im Gegenteil.

[johannes] Wer will das schon …

[nr] Nein, kaum.

[vero] In der Psychosomatik sehr schwer … klar, eine Indikation für eine eigene Therapie, wie es eine gescheite Ausbildung auch vorsieht. Die Geldarbeit ist mir, sobald ich den Arbeitsplatz verlassen habe, völlig wurst.

Wärst du gerne Millionär?

[daniel I] Na klar, warum nicht?

[daniel II] Ja. Multimillionär, wenn schon.

[johannes] Klaromat…

[nr] Ja, dann könnte ich mir die 19,5 Stunden sparen.

[vero] Ja.

Spielst du Lotto?

[daniel I] Wer im Lotto gewinnt, wird auch vom Blitz getroffen.

[daniel II] Nein.

[johannes] Das tun andere für mich.

[nr] Einmal habe ich das getan, es muss aber etwas schief gelaufen sein, denn ich war mir sicher, dass ich den Jackpot knacken würde. Wahrscheinlich bin ich betrogen worden oder es gab eine Verschwörung gegen mich.

[vero] Nö.

Hast du einen Gewerkschaftspass? Oder denkst du bei Gewerkschaft nur an Staub und Mief?

[daniel I] Nein, hab das System auch noch nie verstanden.

[daniel II] Nein, kein Gewerkschaftspass. Ich bin hier in Paris Mitglied bei SUD. Mach da aber nichts.

[johannes] Nein, kein Pass, aber einen Rollstuhlführerschein. Bei Gewerkschaften denk ich an lustige rote Symbole.

[nr] Ja. Ich bin Mitglied bei der ÖTV gewesen und dann von ver.di übernommen worden. Ich kann bei Gewerkschaften an Staub und Mief denken und trotzdem drin sein. Ich kann ja meinen Staubsauger mitnehmen. Von innen aufmischen, »reintreten«, wie mein Freund Wolfgang zu sagen pflegt. Ich mache Bildungsarbeit bei ver.di und will diese Arbeit und die Diskussion mit den Krankenschwestern, Müllmännern, Verwaltungsangestellten, Laschern und Busfahrern auch nicht missen.

[vero] Bin in der Pseudogewerkschaft Marburger Bund, habe aber den letzten »Streik« vor lauter Arbeit verpasst, genau wie die Kollegen. Beim G-Wort denke ich weniger an Staub und Mief, als an Selbstverrat und eklige Standort-Deutschlandtümelei.

Wie viele Bildungswege hast du beschritten?

[daniel I] Einen.

[daniel II] Gymnasium abgebrochen, zweiter Bildungsweg abgebrochen, HWP Hamburg abgebrochen, Körpertherapieausbildung abgeschlossen, Physiotherapieschule abgeschlossen, Osteopathieausbildung abgebrochen, HU Berlin ›Gender Studies‹ letztes Jahr angefangen.

[johannes] Ich glaub zwei…

[nr] Einen. Abitur, und dann 14 Jahre Studium (generale). Abschluss mit Promotion.

[vero] Abi, Pseudostudium, Ausbildung, Studium im letzten Jahr.

Und was arbeiten deine Eltern?

[daniel II] Vater Professor für theoretische Physik an der TU München, Mutter Hausfrau, früher Bürolehre.

[johannes] Irgendwas, womit sie so ‘nen riesigen Batzen Geld verdienen, dass sie mir mein Rumstudieren bezahlen können.

[nr] Mein Vater arbeitete als Kfz-Mechaniker und war dann beim Service von Volvo BM. Meine Mutter hat Sekretärin gelernt und zuletzt bei einer Zeitung Skripte abgetippt.

[vero] Sie: Schreibkraft BFA; er: Hausmeister in einem Jugendausbildungszentrum.

Wie viele Jobs hast du schon gemacht?

[daniel I] Job = kurzzeitige abhängige Erwerbstätigkeit zur Anschaffung von Luxusgütern: einen.

[daniel II] Pfleger für körperlich Behinderte, Fahrradkurier, Kinderladen, diverse Industriejobs über TUSMA, seit der Physioausbildung nur noch als Physiotherapeut gearbeitet.

[johannes] Wahrscheinlich fünf.

[nr] Viele: Babysitter, Nachhilfe, in der Main Echo-Druckerei, bei Petri Lenkräder gestanzt, bei Titmus Eurocon ein halbes Jahr im Früh- und Spätschichtwechsel Kontaktlinsen verschweißt und verpackt, bei der Kleiderfabrik Kalb im Büro, bei der DKS-Spedition Frachtbriefe geschrieben, als Tutorin an der Uni, für die Werkschutzfirma IWS am Frankfurter Flughafen Gepäck kontrolliert, bei einer Privatfamilie Jahre lang als Putzfrau, im Farbenhaus am Lindenbaum Farben und Tapeten verkauft, bei der Gewerkschaft als Teamerin, bei der IG BAU für drei Monate in der Pressestelle, im Institut als wissenschaftliche Mitarbeiterin, als Redakteurin bei einer Zeitung.

[vero] Haufenweise … Von Kiosk, Bananen verpacken in ‘ner Fabrik, Maurern, Lackiererei, Masseurin, Barfrau bis Schlafforscherin.

Und hast du deine Kolleginnen gehasst oder Genossinnen genannt?

[daniel I] Kann man Genossen nicht hassen?

[daniel II] Gehasst nicht gerade, aber ich konnte mit den homophoben Mackern, die sich nur für Autos und Fußball interessieren, ständig sexistische Witze erzählen und BILD lesen, die ich in den Prolojobs getroffen habe, absolut nichts anfangen. Mit den Physiotherapie-Kolleg_innen ist es gemischt.

[johannes] Na ja, einmal hab ich zu einer »Schrulle« gesagt, das war aber lieb gemeint.

[nr] Ich nenne manche Kolleg_innen Genoss_innen und hasse sie. Ich mag manche und habe manche gemocht, und manche waren und sind mir gleichgültig. Andere wiederum, und das sind alles Genoss_innen, habe ich sehr gerne. Wieder andere sind keine Genoss_innen und ich habe sie auch gerne.

[vero] Gehasst höchstens die Vorgesetzten, Genossinnen habe ich nur meine politischen Genossinnen genannt.

HL oder ALDI?

[daniel I] L’Aldi und Tengelmann.

[daniel II] Was ist HL? Ich bin in Berlin in einer Einkaufsgemeinschaft für Biokram, da kauf ich fast alles.

[johannes] Tengelman.

[nr] Beides.

[vero] Aldi.

Tennis, Golf oder Fußball?

[daniel I] Tischkicker.

[daniel II] None of the above. Aikido, Contact Improvisation, Fitness-Studio.

[johannes] Tischtennis.

[nr] Nichts davon. Rad fahren, Schwimmen und Badminton.

[vero] Fußball.

Amalgam, Keramik oder Kunststoff?

[daniel I] Keramik.

[daniel II] Gold. Die Kasse hat’s damals zu 100 Prozent übernommen.

[johannes] Zahnbürste, regelmäßig …

[nr] Amalgam hinten, vorne Keramik – solange ich es noch bezahlen kann.

[vero] Alles.

Westend, Bornheim oder Gallus? Altbau oder Platte?

[daniel I] Gallus, Halbbau.

[daniel II] Ich finde Neukölln gut. Wedding wäre mir zu weit weg von Kreuzberg. Friedrichshain find ich nicht so toll. Schöneberg kenn ich nicht. In Paris finde ich Belleville ganz nett. Arbeiten tu ich in Créteil, find das ganz nett hier, das ist Banlieue, ethnisch und klassenmäßig ziemlich gemischt, aber nicht so krass wie die echten Banlieues im Norden. Altbau. 154 Euro für 42 qm Ofenheizung. Neukölln.

[johannes] Ostend, eine hellhörige 50er Jahre-Wohnung.

[nr] Maintal Dörnigheim, Doppelhaushälfte mit Garten.

[vero] Gallus, Altneubau.

Wo fühlst du dich wohler, in der Kneipe an der Ecke oder beim kultivierten Diner im französischen Restaurant? Letzteres, obwohl du lohnarbeitsabhängig und prekär beschäftigt bist? Wie passt das zusammen?

[daniel I] Hab den Vergleich nicht, kenne keine französischen Restaurants.

[daniel II] Ich bin nie in Eckkneipen. Wenn mich jemand einlädt, geh ich auch in ein teures Restaurant, allerdings muss ich bald wieder weg, weil ich die Leute, die das essen zu sehr hasse.

[johannes] Eckkneipen.

[nr] In der Kneipe. Aber das Essen schmeckt in der letzteren meistens besser. Wenn ich gut esse, fühle ich mich partiell auch wohl. Ich versuche dann vom Kultivierten zu abstrahieren. Sollte es ein gutes französisches Restaurant sein, gibt es dort gutes Essen. Auch als Lohnarbeiterin oder prekär Beschäftigte kann ich meine Sinne emanzipieren. Die bourgeoisen Arschlöcher um mich herum habe ich auch auf irgendwelchen wissenschaftlichen Kongressen um mich. Die müssen mir ja nicht den Appetit verderben.

[vero] Gutes Essen sollte ein Menschenrecht sein, fehlt halt das nötige Geld, so sind eben die Bedingungen. Na ja, ein gewisses Unwohlsein gibt’s auch, wenn zu viel Besteck auf dem Tisch liegt. So ist das bei meinem Hintergrund, … Soll mich aber nicht davon abhalten, auch ein kultiviertes Diner zu genießen.

Hast du eine Fabrik schon einmal von innen gesehen? Am Fließband oder bei der Führung?

[daniel I] Am Band ohne Freunde.

[daniel II] Mal so für eine Woche. Aber weder das eine noch das andere. War dort zur Reinigung.

[johannes] Sowohl als auch.

[nr] Ja, mehrere. Mein Vater hat uns als Kind schon immer in die Volvo-Fabriken geschleppt und uns erzählt, wie gut es den Volvo-Arbeitern geht. Heute gehe ich mit Vorliebe in Stahlwerke. Am Fließband habe ich Lenkräder gestanzt und dann ein halbes Jahr im Früh- und Spätschichtwechsel Kontaktlinsen verschweißt und verpackt. Führungen durch Stahlwerke mache ich sehr gerne mit, kann mich aber nicht entscheiden, ob ich Flachstahlwalzen oder T-Träger-Walzen besser finde. Ich glaube, letztere.

[vero] Siehe oben, und dabei habe ich begriffen, was Entfremdung bedeutet. Das macht einen fertig: man tut etwas sinnloses unter beschissenen Bedingungen und wird dafür mies bezahlt. Es gibt Leute, die machen das ihr ganzes Leben – ich war nach zwei Monaten raus – schon ein Privileg.

Was verbinden die Auseinandersetzungen und Arbeitskämpfe in Argentinien mit der letzten linken Studentin?

[daniel I] Sie verändern unsere Gesellschaft hier gleichermaßen.

[daniel II] Das müsste sich die letzte linke Studentin mal genau überlegen.

[johannes] Beef.

[nr] Die Kolleg_innen in Argentinien erfahren und machen das, was die meisten linken Studentinnen heute leugnen.

[vero] Menschenfreundliche Bedingungen muss man sich überall erkämpfen. Wird einem ja nicht geschenkt. Mit ein bisschen Empathie sind die Parallelen zu erkennen, hoho. Und es kann auch mal was durchgesetzt werden, auch wenn das in der Regel früher oder später immer schief gelaufen oder in Blut ertränkt worden ist. Wohl auch ein Grund, warum in der Regel so viele auf Befreiungsbewegungen abgefahren sind. Aber nicht vergessen: der Hauptfeind steht im eigenen Land …

Was ist deine Klasse? Gehört sie dir oder du der Klasse? Doing class oder being determined? Lässt sich die Klasse wechseln wie ein Kleidungsstück oder ist sie in den Körper eingebrannt? Oder ist die Klasse eine irrelevante soziale Kategorie?

[daniel I] Wer schon mal einen der wenigen echten Arbeiter_innen getroffen hat, wird merken, dass es Klassen gibt, nur keinen Klassenkampf.

[daniel II] Bin qualifizierter Arbeiter mit hohem kulturellem Kapital. Man kann im Prinzip die Klasse wechseln, das dauert aber Jahre, manchmal Jahrzehnte. Und manche Gewohnheiten, (In)Kompetenzen und damit verbundene potentielle Privilegien oder Diskriminierungen lassen sich überhaupt nicht ändern.

[johannes] Huch, als ob ich darauf die Antworten hätte …

[nr] Meine Klasse ist die Arbeiterklasse (wir stehen allerdings in keinem Eigentumsverhältnis). ›Klasse‹ lässt sich nicht wechseln wie ein Kleidungsstück, aber sie lässt sich wechseln – und das sieht man dann manchmal an den Kleidungsstücken. Wenn mir Leute plötzlich (z. B. nachdem sie Diplom gemacht haben) erzählen, dass »ein Anzug eigentlich sehr bequem zu tragen ist«, dann vermute ich, dass sie im Begriff sind, die Klasse zu wechseln und sich einreden wollen, dass sie sich jetzt auch »wohl fühlen« – wahrscheinlich weil die Brandnarben (um in Eurem Bild zu bleiben), die die Klasse, aus der sie kommen, hinterlassen hat, noch schmerzen oder mindestens jucken. In meinem beruflichen Umfeld gibt es ein paar Leute, die im Moment bemüht sind, die Klasse zu wechseln (oder schon gewechselt zu haben) über eine akademische Karriere. Wenn sie ihnen gelingt, können das äußerst unangenehme Zeitgenossen werden. Die Klasse steckt natürlich auch im Körper; im Rücken, im Gehirn, in den zerkauten Fingernägeln, in der Lunge usw. Aber weil Körper auch Natur ist und Natur etwas gesellschaftliches, ist sie veränderbar. Eingebrannt klingt nach ontologischer Setzung, nach: Da ist nichts zu machen. So ist es aber nicht. Das ist aber kein (oder nicht nur ein) individuelles Problem, sondern ein gesellschaftliches.

[vero] Gerade im jetzigen Studium merke ich meine Klasse, in Form von Sozialneid an diesen ganzen bürgerlichen Schnuckellinen, mit dem goldenen Löffel im Mund, manchmal will ich sie alle umlegen rattattattattatta … aarrrgh! Nun ist die Arbeiter_innenklasse aber ihrerseits zum Großteil schlimm unterwegs; »die Scheißneger kriegen’s doch vorne und hinten reingeblasen und um uns kümmert sich niemand …« Also wieder rattattatta …? Echt scheiße wird’s, wenn man so in seiner Klasse verhaftet ist, dass man nicht auf die Idee kommt, es sollte einem mehr zustehen. Nicht, dass ich denke, Arbeiterinnen stünde nix zu, aber der Mechanismus ist doch schon der, dass nicht von den Reichen gefordert wird, sondern von den noch Ärmeren. Wenn man in den bürgerlichen Kreis aufsteigt, dort aber ganz zurückgenommen und schüchtern ist, merkt man, dass Klasse nicht so einfach zu wechseln ist wie ein Schuh. Bin auf jeden Fall noch der Arbeiterinnenklasse, aus der ich komme verhaftet, was mir in der jetzigen Situation einen ziemlichen Rollenkonflikt aufbürdet, … ›Well, I’m an upstart, ha.‹ Aber grundsätzlich macht regelmäßige Arbeit über mehr als, ich sag mal, sechs Stunden jede krank, ob white oder blue collar … der Scheißkapitalismus ist einfach menschenunfreundlich organisiert.