Lieber diskus,

 

etwas irritiert war ich über deine diesmalige Anfrage und wurde mir immer sicherer in meinem Gefühl, Dir nicht darauf zu antworten, zumindest nicht so, wie Du es vielleicht erwartet hättest. Während ich eine Anfrage in die Richtung von: »Was ich schon immer mal über Sex sagen wollte und sich (mir) noch nie die passende Gelegenheit dazu bot« irgendwie lustig und verständlich gefunden hätte, willst du nun von mir, dass ich mich oute? Dass ich die Wahrheit über meine Sexualität(en) und Nicht-Sexualität(en) preisgebe, einen Diskurs über mich selber erzeuge, ein Geständnis über meine Praktik(en) und Nicht-Praktik(en) ablege und die Redaktion uns Leser_innenschaft darüber urteilen lasse, in meiner Abwesenheit? Was soll denn da die emanzipatorische Komponente dran sein? Und was der Erkenntnisgewinn, wenn Du und ich und alle Leser_innen nun erfahren, dass A es gerne mit Möhren macht, B schon zwei Abtreibungen, die letzte vorletzten Monat überstand und C Vergewaltigungsphantasien beim Masturbieren hat?

Und wieso meinst Du, lieber diskus, dass es mir möglich wäre, über meine Verletzungen und mein Erlebtes kritisch-distanziert und sprachlich über all diejenigen Gefühle zu berichten, die mir flau und ungewiss im Magen liegen und lagen? Und dann am besten noch unterhaltsam und witzig?

Oder geht es Dir darum Schluss zu machen, mit der Selbst-Behauptung, eine Poly-/Befreiungssexualität zu leben, es aber nur theoretisch hinzubekommen, oder dem Über-allem-Stehen: dass man nonchalant über Sex redet, der aber mit einer_m selbst nichts mehr zu tun hat, (was ähnliche Formen zeigt, wie das teilnahmslos im Raum stehen, während cooler Konzerte und Partys)? Und mal wieder über eigene Lust geredet werden soll? Aber, wenn Du das willst, wieso meinst Du, dass Deine Anfrage dies ermöglichen würde? Und nicht all diejenigen noch mehr verunsichert, die kein unproblematisches Verhältnis zu ihrer Sexualität haben oder nicht dem von Dir gesetzten Originalitäts-Anspruch erfüllen können oder wollen?

Ich verstehe das nicht!

Ich glaube, wir müssen da erst nochmal drüber reden!

Nichts für Ungut!

Lieber Gruß, d.