forschung und alltag
[
I. ] die idee …
die
uni muss sich verändern! sie muss in anbetracht eines weltweiten
standortwettbewerbs um unternehmen und arbeitsplätze den elfenbeinturm der
unabhängigen wissenschaft verlassen. will deutschland seinen wohlstand und
seine rolle als wirtschaftlich führende nation in der welt wahren, müssen große
anstregungen unternommen werden. an diesen sollen sich alle gesellschaftlichen
kräfte mit ihren fähigkeiten und mitteln beteiligen. dabei wird den hochschulen
eine wichtige rolle zugedacht: wertvolles wissen, technische, geistige und
organisatorische innovationen müssen produziert sowie fachkräfte ausgebildet
werden. wie diese angehenden fachkräfte und wissensproduzenten gesellschaftlich verortet sind, ihr
geschlecht ist irrelevant, heißt es, das objektive auswahlkriterium der größten
und besten leistung genügt. der globale wettbewerb erfordert eine konzentration
auf bestimmte qualifikationen (bwl/jura/naturwissenschaften) und deren
praxisnähe bzw. unmittelbare verwertbarkeit. also muss die hochschule
umstrukturiert werden: ressourcen müssen verschoben, der abstieg aus dem
elfenbeinturm durch die belohnung derjenigen sichergestellt werden, die für
diese wissensproduktionen mittel »aus der gesellschaft« (drittmittel)
respektive der wirtschaft mobilisieren können.
[
II. ] ... ist eine alte idee
trotz
aller romantik vom schlage »früher war alles besser und es gab noch die
forschungsfreiheit« ist diese argumentationsweise nicht neu. so werden zum
beispiel die sozial- und geisteswissenschaften schon lange knapp gehalten und
ausgetrocknet.1 um die vermeintliche funktionalität der hochschule für die
standortsicherung und berufsausbildung sicherzustellen, werden anstrengungen
unternommen, die innere organsisationsform der hochschule zu ändern: so wird
die kaufmännische buchhaltung eingeführt (wobei alles auf seine scheinbar
unmittelbaren kosten und die dagegenstehenden einnahmen überprüfbar wird),
außerdem wird der wettbewerb der hochschulen untereinander um studierende und
finanzierung vorangetrieben. die hierfür angestrebte ausbildung von
(forschungs-)schwerpunkten wird durch die gestärkte hochschulleitung
vorgegeben. in diese schwerpunkte können sich dann die fachbereiche
»hineindefinieren«, was starke inhaltliche vorgaben impliziert.2 natürlich
können auch nur solche forschungsschwerpunkte auf finanzierung durch die in
finanziellen fragen gestärkte hochschulleitung hoffen, die in dieses raster
passen.3
gleichzeitig
mit der konkurrenz der universitäten und fachbereiche verschärft sich auch die
konkurrenz von studierenden und wissenschaftlerinnen untereinander. der
wettbewerb erfordet nicht nur inhaltliche qualifikationen (bwl/jura/naturwissenschaften),
sondern auch soziale wie selbstbewußtsein und
sicheres auftreten, bluff-vermögen und ellenbogenmentalität und
reproduziert somit maskuline muster.
die verwertung geschlechtlicher qualifiktionen und konstruktionen
schlägt sich in hierarchien in arbeitsprozess und entlohnung nieder (weibliche
sekretärin/ männliche professorin).
die
dienstleistungshochschule im globalen standortwettbewerb bedeutet somit eine
stärkung von konkurrenz und hierarchien auch entlang der klassischen linien
(gender, race, konformität)
[
III. ] universität,
der
neoliberale umbau der universität vollzieht sich nicht im abgeschotteten raum,
sondern ist teil einer zunehmenden gesamtgesellschaftlichen ökonomisierung
(ausdehnung der warenförmigkeit). eine zunehmende ausrichtung weiter teile des
lebens auf wirtschaftliche »notwendigkeiten« ist unbestreitbar. damit ist ein
massiver abbau von (materiellen) leistungen für alle, die auf das arbeiten für
geld (lohnarbeit / studijobs) und staatliche unterstützungsleistungen (BAföG
etc.) angewiesen sind, verbunden. viele risiken, so auch das ausbildungsrisiko,
werden immer mehr weg von staatlicher organisation und hin auf die einzelne
verlagert. die unternehmerin, die nichts als ihre eigene arbeitskraft
»produziert«, hat diese hegemoniale deutung bereits selbst übernommen und macht
ihren körper zum werkzeug (produktionsmittel). immer mehr studierende erwarten
von der hochschule die bestmögliche ausbildung für die sofortige verwertung
ihrer selbst. schnell viel verdienen, um dann zum ausgleich auch viel freizeit
konsumieren zu können. in den wirtschaftlichen und berufs- und
karriereorientierten studien-gängen, die diese hegemonialen deutungen selbst
scheinbar wissenschaftlich begründen, ist diese einstellung naheliegend, aber
auch in den ehemals »kritischeren« gesellschaftswissenschaftlichen fächern,
deren studentinnen gemeinhin als interessengeleitet und weniger
karriereorientiert gelten werden vermehrt forderungen nach einem am markt
orientierten studium vernehmbar.. nicht die selbstbestimmten entscheidungen
nach interessen und vorlieben der einzelnen stehen dabei im vordergrund,
sondern die zurichtung auf die wirtschaftliche verwertung (mehrwertproduktion).
[
IV. ] die idee ist schlecht, doch die
so
glatt und bruchlos wie das ideologische programm ist dessen umsetzung
allerdings nicht, denn die umbaupläne
sind in sich widersprüchlich und umkämpft: so werden zum beispiel bestehende
(nicht-)zusammenhänge einfach zu (neuen) schwerpunkten umdeklariert,
irrelevante und weniger verwertbare fächer werden an den rand gedrängt und
schließlich ganz aufgegeben, inhalte werden marktkompatibel ausgesucht und
somit oft theoretisch inkonsistent, die verwaltung versagt nach zielloser
umorganisation in immer weiteren bereichen ihren (sinnvollen?) dienst. allen
förderungen und werbungen zum trotz schreiben sich zu wenig studierende in die
naturwissenschaftlichen fächer ein und wollen zu allem übel auch noch am bedarf
vorbei sozialwissenschaften oder auf
lehramt studieren. immer wieder entziehen sich einzelne professorinnen,
mitarbeiterinnen oder studierende der unmittelbaren formierung (und verwertung)
und ziehen sich in (forschungs-)nischen zurück. ebenso kämpfen »minderheiten« in berufungskommisionen und
einstellungsverfahren, um mehr gesellschaftskritische wissenschaftlerinnen und
die gleichberechtigung und förderung von frauen.
[
V. ] gegenidee …
wenn
wir aus einer universitären perspektive heraus für andere, emanzipative
politiken argumentieren und handeln, ist es kaum vermeidbar, dass wir dabei
bestehende repressive und ausschließende strukturen und mechanismen (mit- und
re-)produzieren. wir stehen niemals außerhalb von ihnen und sind gezwungen, in ihnen
zu agieren. dabei reproduzieren wir ei-nen beträchtlichen teil ihrer selbst
mit. somit ist diese reproduktion von verhältnissen die vorbedingung unserer
interventionsfähigkeit. agieren wir im feld der universität und ihrer
strukturen, erkennen wir sie an. das bedeutet, dass der widerstand gegen die
bestehenden verhältnisse immer auch von innen kommt. nehmen wir dies zur
kenntniss, muss die strategie der veränderung an bestehende verhältnisse (in
dem falle universitäre strukturen) andocken, um emanzipatorische gegenentwürfe
sichtbar, denkbar und lebbar zu machen,
sie im besten fall hegemonial zu machen. der hegemoniale diskurs bringt die möglichkeiten zum eingreifen
dabei selbst hervor, von seinen rändern lässt sich starten: durch vergangene
kämpfe haben sich in den universitären räumen strukturen und freiräume
etabliert und gefestigt, auf die heute zurückgegriffen werden kann. auf dauer
muss um diese aber auch immer wieder neu gekämpft werden.4 eine solche politik
ist allerdings ein gefährliches spiel und birgt immer die gefahr in sich,
instrumentalisiert und funktional eingebaut zu werden. sie wird dann oft zum
zeichen für eine vorzeigeliberalität,
die jedoch repressive verhältnisse überdeckt und selbstbestimmung nur in enger
begrenzung zulässt. selbst diese selbstdarstellung wird aber immer mehr
aufgegeben und es werden mittlerweile unverhohlen autonome räume zerstört.
[
VI. ] … und gegenstrategie (wie tun?)
was
bedeutet dies für linke politik? die bisherige reaktion auf »missstände« war
leicht gefunden: durch die blockade von (vorlesungs-)räumen, hörsälen (dem
turm) einen ausschluss provozieren, der dann spontan zu selbstorganisierten
arbeitsgruppen und widerständischen aktionen führt. die störung des normalen
ablaufes brachte (bisher) reflexion und aktion, so die erfahrung der
vergangenheit.5 dieser automatismus ist fraglich geworden: die forderung nach
einer allein auf das spätere berufsleben ausgerichteten, schnellen und
praxisorientierten hochschulausbildung wird immer stärker nicht nur von der
offen interessegeleiteten wirtschaft vorgebracht, sondern auch von den
studierenden selbst. »augen zu und durch« lautet dann die devise. so wurden die
kreativen aktionen der gruppe »raumspiel«, die zu beginn des wintersemesters an
der frankfurter uni auf raumnot und kaputtsparen aufmerksam machen sollten, oft
mit desinteresse links liegen gelassen, sogar als – zusätzlich zu den eh
schlechten studienbedingungen – störend
bezeichnet.
unter
solchen bedingungen läuft der widerstand oft auf eine verteidigung (alter)
staatorganisatorischer lösungen mit forderungen nach mehr geld hinaus
(materiellen zugeständnissen). das verteidigen bisheriger zugeständnisse ist
jedoch nur am status quo orientiert und reicht für eine emanzipatorische
politik, die herrschaftsverhältnisse überwinden will, nicht aus. weder
befürworten wir eine ökonomistische
zurichtung aller gesellschaftlichen bereiche entsprechend der kapitalistischen
verwertungslogik, noch eine kritiklose verteidigung der bisherigen
institutionen. diese sichern zwar (erkämpfte und aufgezwungene!) nischen, die
sich scheinbar der logik des ganzen entziehen oder ihr widerstehen, aber sie
sind gleichzeitig auch teil repressiver strukturen. unser ziel ist vielmehr
freie selbstbestimmung aller ohne den ständigen kampf um die materielle und
geistige reproduktion.
in
dem beschriebenen klima unter den studierenden und an der universität birgt die
blockade des lehrbetriebs also die gefahr in sich, lediglich zu einer noch
stärkeren ablehung alternativer ansätze zu führen. das kritische potential (das
durch die weiter gehende verinnerlichung herrschender ökonomistischer normen
schwächer geworden ist) muss immer wieder neu hergestellt werden, bzw den raum
zur entfaltung finden. waren bisher an der uni die kräfteverhältnisse im vergleich
zu anderen bereichen der gesellschaft ein wenig günstiger für alternative
ansätze, ist dies in veränderung
begriffen.6 die kräfteverhältnisse sind eben nichts unbewegliches und die
gegenkräfte müssen immer wieder neu aufgebracht werden. mit anderen worten: wir
müssen sogar befürchten, dass durch unsere aktionen (z. b. durch blockaden und
aussperrungen arbeitsgruppen entstünden, deren forderungen entweder bestehende
strukturen weitgehend kritiklos verteidigen oder sogar eine noch effizientere
ausrichtung der hochschule beinhalten würden. solche forderungen und positionen
stehen für uns nicht zur diskussion und sind auszuschließen. daraus ergeben
sich auch konsequenzen für unser verständnis von öffentlichkeitsarbeit und
linker praxis allgemein.
[ VII.
] gegenpraxis (was tun? das tun.)
für
eine aktionswoche an der universität frankfurt wurde ein leerstehendes
institutsgebäude der universität besetzt und darin das institut für
vergleichende irrelevanz gegründet . die gründung des instituts als zusammenhang
von unterschiedlichen personen und organisationen des »linken spektrums« knüpft
an den bestehenden verhältnissen und widersprüchen an. die forderung nach frei
nutzbarem raum entspricht den unmittelbar erlebten bedingungen der studierenden. die form sich freiraum selbst zu
nehmen und zu versuchen, ihn alternativ zu nutzen, weist aber über bestehende
verhältnisse, zum beispiel der unmittelbaren »raumnot« in der universität
hinaus. das institut bot neben alternativen praxen und der gemeinsamen sozialen
(raum-)gestaltung auch die möglichkeit, theorie und forschung als gestaltbaren
raum zu erfahren und selbstbestimmt zu lernen. es wurde diskutiert, gewohnt und
gemeinsam gelebt. der raum der universität wurde in diesem sinne erweitert um
einen lebensraum, in dem soziale praxen reflektiert und gegenentwürfe erfahrbar
wurden. im gegensatz dazu macht der universitäre raum momentan viele
lebensentwürfe und soziale praxen unsichtbar. diese werden aktiv und bewusst
durch die vertreibung und aussperrung von obdachlosen oder die permanente
nicht- thematisierung von gesellschaftlich marginalisierten gruppen (bspw
schwulen und lesben) in der theoriebildung und lehre unmöglich gemacht.
der
name »institut für vergleichende irrelevanz« stellt zum einen den universitären
bezug her, bricht diesen dann aber ironisch, da zum einen vergleichende
irrelevanz (universitäts- und wissenschafts-)
logisch
unmöglich ist und zum anderen sich darunter
die irrelevantisierten der herrschenden diskurse und strukturen
wiederfinden.
da institut
sowie universität nicht im luftleeren raum existieren, sondern in einem
stadtteil, auf dessen entwicklung die universtität einfluss hat, verweist die
besetzung eines leerstehenden institutsgebäudes, das auch wohnraum werden
könnte, auf das umkämpfte städtische umfeld der universität. zum einen ist
anzunehmen, dass die umzugs- und verkaufspläne der frankfurter hochschulleitung
eine ganze gewachsene stadtteilstruktur zerstören werden und zum anderen fehlt
in der stadt der zahlungskräftigen bänkerinnen der für studierende bezahlbare
wohnraum sowie der raum für alternative, nicht an der kleinfamilie orientierte
lebensformen. solcher wohn- und lebensraum passt nicht in das leitbild der
städtischen politik von einer prosperierenden »global city«. an diesem leitbild
orientiert werden derzeit massive anstrengungen unternommen, damit frankfurt zu
einer »globalen stadt« wird. dabei wird versucht, möglichst viele
firmenzentralen, »finanzdienstleistungen« und banken in frankfurt anzusiedeln,
um zum »steuerungszentrum« weltweiter verwertungsbeziehungen zu werden und so
ein möglichst großes stück vom gesellschaftlich produzierten reichtum
abzubekommen. die hoffnung ist, dass zum einen die unternehmen dann hier
steuern in den gemeindesäckel zahlen und zum anderen deren gut verdienenden
angestellten hier einkommensteuer zahlen und einen großen teil ihres einkommens
auch ausgeben. es wird deswegen für den entwicklungsraum für immobilien gesorgt
und die stadt an vermeintlichen bedürfnissen der globalisierten oberschicht
ausgerichtet. dafür soll die stadt sauber und von »bedrohlichen« randgruppen
und minderhei-
ten
frei gehalten werden, damit sich alle (?) »sicher« fühlen und ungestört
konsumieren (einkaufen) können.7 an dem dabei entstehenden verdrängungsdruck
beteiligt sich die universität munter mit einem privatisierten
sicherheitsdienst. die besetzung des leerstehenden institutsgebäudes verortet
das institut in diesen auseinandersetzungen gerade durch das zeitweise
ermöglichen einer anderen praxis.
[
VIII. ] gegenöffentlichkeit
wir
haben es vermieden, anfangs mit konkreten forderungen oder analysen
aufzutreten; sondern haben
in
den auf dem campus verteilten flugblättern und
der
ersten pressemitteilung dazu eingeladen, diese während der woche in den
diskussionen gemeinsam zu erarbeiten. in der organisation des alltäglichen trat
dann die außenwirkung in den hintergrund, so dass wenig von dem, was
tatsächlich geschah, nach außen drang und wenig zeit zur inhaltlichen
positionierung blieb. dafür wurden wir zum teil heftig kritisiert. die
entgegnung, dass eigene alternative praxen und eine selbstverständigung erst
stattfinden müsse, ist weiter umstritten. tatsächlich blieb die theoretische
verständigung hinter unseren erwartungen zurück. ob das an der form der aktion
lag, wird sich bei den nächsten aktionen zeigen müssen.
darüber
hinaus hat sowohl die inhaltliche / diskursive als auch die stark räumliche
fokusierung (das haus stand abseits vom alltäglichen universitätsbetrieb)
bestimmte gruppen gänzlich unberücksichtigt gelassen, mensch könnte sagen
ausgeschlossen, da sie kaum die möglichkeit hatten, sich zu informieren oder
einzubringen. sosehr wir uns auf »allgemeinpolitische« probleme beziehen, wird
hier sichtbar, dass sich unsere zusammenhänge zum größten teil aus studentinnen
der geistes- und gesellschaftswissenschaften zusammensetzen und auch genau
diese wieder angesprochen werden. wir wollten in unserem auftreten deutlich
machen, dass trotz heterogener und offener zusammensetzung der konsens besteht,
dass die herrschenden verhältnisse nicht nur zu reformieren, sondern die
gesellschaft grundlegend anders zu gestalten ist. die »massen« sollten nicht um
den preis eines verzichts auf die grundlegende analyse und kritik des
kapitalismus mobilisiert werden.
[
IX. ] alltag und institut(ion)
die
vorherrschenden verhältnisse erzeugen
nicht nur durch (materielle) zugeständnisse zustimmung. sie gewinnen ihre
stärke gerade dadurch, dass zum einen nur bestimmte soziale praxen dauerhaft möglich
sind und zum anderen der raum sowie die struktur von politischen
auseinandersetzungen festgelegt ist. dies aufzubrechen muss gelingen, um
emanzipative formen zu ermöglichen. denn was gedacht, gelebt und gefordert
werden kann, hängt von den bestehenden hegemonialen verhältnissen
(alltagspraxen) und deutungsmustern ab. ohne die reale erfahrung, dass anderes
möglich ist, als vorgesetztes (auswendig) zu lernen, werden auch die
deutungsmuster von einer reinen ausbildungshochschule nicht durchbrochen werden.
damit wird die forderung nach mehr raum für selbstbestimmtes leben und lernen
erst dann stark, wenn positiv besetzte erfahrungen dahinter stehen. diese
müssen sowohl an bestehendes anknüpfen, als auch über die herrschenden
strukturen hinaus gehen. dabei bedingen sich diskurse und altagspraxen
gegenseitig und können nicht jeweils allein radikal verändert werden. das heißt
aber auch, dass nicht jede, die mehr raum fordert, die logisch-sachliche
begründung dafür abspulen können muss, sondern dass auch die konkrete erfahrung
der selbstbestimmten formen diese rechtfertigt. wenn nun herkömmliche
protestformern bestehende ideologien reproduzieren, dann hat die form des
instituts das ziel, jene zu überwinden, um sich von diesen lösen zu können.
idealerweise sollte das institut die herrschenden ideologien in frage stellen
und durch die gelebten gegenentwürfe ihre widersprüche sichtbar machen.
die
alternativen praxen, die über das bestehende hinausgehen, werden aber nur
möglich, wenn sie zum einen bestehenden strukturen abgetrotzt werden und zum
anderen die akteure es als erstrebenswert ansehen, sie dauerhaft zu
reproduzieren. für das erstere wurde ein institutsgebäude besetzt und eine
duldung durch die universitätsleitung in kauf genommen, die vorhandenen
möglichkeiten also bis zur repressionsgrenze ausgenutzt und ausgeweitet. das
zweite führte zu der feststellung, dass widerstand auch spaß machen muss. der
eigentliche gründungsakt des instituts war nach der besetzung deshalb auch die
erste party. als offizielles »programm« fand nur statt, was leute lust hatten
anzubieten. das eigentlich wichtige forschungsprogramm des instituts war auch
nicht die theoriebildung, sondern die alltägliche praxis: die unzähligen
diskussionen beim bier oder zwischen tür und angel, das zusammenleben mit den
leuten der initiative »gemeinsam leben im 21. jahrhundert« oder die
abschlussdemonstration. vor dieser war deutlich, dass keine massen erscheinen
würden. 30 leuten liefen dann vorwärts und rückwärts durch bockenheim und
erzeugten einige irritationen in der umwelt. ausgangspunkt war nicht »scheiße,
nur so wenige«, sondern das wissen um die berechtigung der eigenen position und
der willen spaß bei ihrer artikulation zu haben; das frusterlebnis einer
gewaltsamen räumung wäre sicher in anderer erinnerung geblieben. die strategie
war, an die repressionsgrenze zu gehen, den reiz des grenzbereiches des
»legalen« auszunutzen und dabei spaß zu haben.
[
X. ] drinnen beiben / zukunft
notwendigerweise
gab es aber auch anschlüsse an
das
kritisierte: eine klare aufgabenverteilung wer kocht und wer theoretisiert, wer
saubermacht und wer
feiert,
war eine der konkreten erfahrungen der besetzungswoche: in weiten teilen kam es
zur reproduktion von maskulinität. dass gerade das bestehende geschlechterverhältnis
so offensichtlich reproduziert wurde, ist sicher kein zufall. geschlechtliche
identität ist diejenige, die uns sehr früh als handlungsfähiges subjekt
konstituiert. zweigeschlechtlichkeit und heterosexismus sind in uns allen und
im bürgerlichen diskurs stark verankert und internalisiert. obwohl das ziel die
auflösung von eindeutigen geschlechtszuweisungen und zweigeschlechtlichkeit
ist, ist gleichstellungspolitik aufgrund der realen und alltäglichen
diskriminierung von frauen auch bei uns unverzichtbar. genau dies gilt es in
der reflexion der eigenen praxen festzustellen und an der überwindung in den
eigenen praxen zu arbeiten. themen, die in der theoretischen auseinandersetzung
wenig raum eingenommen haben, werden dabei genauso zu benennen und zu reflektieren
sein, wie die verschiedenen ausschlüsse in den alltagspraxen. die
geschlechterhierarchie steht hier nur als ein herausgegriffener punkt als
aufgabe für die zukunft des instituts.
dieses
trifft sich weiterhin und hat, vor in ähnlichen formen auch im nächsten
semester im bereich der universität durch besetzende forschung aktiv zu
bleiben. der bedarf an freiräumen ist groß, wird mit der zunehmenden zerstörung
autonomer räume immer größer. das institut hat es sich zur aufgabe gemacht,
diesen notstand nicht nur zu thematisieren, sondern auch abhilfe zu schaffen.
nico
hausmeister, tapete 75
1 — dies ist in frankfurt vielleicht besonders
leicht zu sehen: der afe-turm ist seit dreißig jahren nahezu unverändert.
bauerhaltungsmittel der universität wurden in neubauten und berufungsmittel
anderer fachbereiche umgeleitet. das verhältnis studierender zu professorinnen
liegt im spitzenfeld zu ungunsten der studiereden
2 — vgl. oliver brüchert:
www.links-netz.de/K_texte/K_bruechert_
hopo.html
3 — vgl. den frankfurter
hochschulentwicklungsplan: www.uni-frankfurt.de/ltg/entwicklung/HEP/Inhalt.html
4 — siehe die texte zu tuca und ig-farben
campus in diesem heft, red.
5 — vgl. hibiskus aus dem letzten streik 1997:
www.copyriot.
com/diskus
6 — siehe auch www.raumspiel.de.vu
7 — vgl. susanne heeg: Unternehmen Stadt
zwischen neuen Governanceformen und Sicherheitspolitik in spw 118/2001,
www.spw.de die autorin war referentin auf einer veranstaltung im institut.