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diskus 2/00
Wie wohnen?
Wie wohnen in einer Stadt, die so gerne global city sein
will und die in längst vergangenen Tagen doch auch mal Mietstreik- und
Häuserkampf-Stadt war?
Im Kampf von einst gegen städtische
Sanierungspolitik und schon damals seitens MigrantInnen gegen rassistische
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt wurde versucht, die Frage des
Wohnens in den Zusammenhang von bürgerlichen Besitz- und kapitalistischen
Ausbeutungsverhältnissen zu stellen und zu politisieren. Dass die Zeiten
so nicht mehr sind, hat eine Vielzahl von Gründen, worunter sich auch der
eine oder andere gute findet. So ist dem einstigen Gebot, noch jede
persönliche Entscheidung an einer Szene-Norm messen lassen zu müssen,
sicher nicht nachzutrauern. Dennoch: Mittlerweile hat sich die Frage des
Wohnens in ganz anderen Formen eingependelt. Die /Der
durchschnittliche Mittelklassenlinke lebt in überschaubaren 3er oder 4er
WGs, schmeißt den Ein-Mann /Frau-Haushalt oder ist ganz zum
Pärchen-Setting übergegangen. Nein, Wie wohnen? ist in der Linken kein
grosses Thema mehr, von einer praktischen Auseinandersetzung damit ganz zu
schweigen. In ganz Frankfurt? Nun ja. Die augenfälligsten Ansätze, das
Wohnen anders zu organisieren, finden sich in dem, was man heute als
»Wohnprojekte« bezeichnet. Und von solchen gibt es noch einige in
Frankfurt, wenn auch in höchst unterschiedlichen Formen und zumeist unter
prekären Bedingungen.
Angesichts der Marginalität der Thematik
innerhalb der städtischen Linken mutet es eher paradox an, dass den
Wohnprojekten von Teilen der Mainstream-Öffentlichkeit integrierendes
Wohlwollen entgegenschlägt. Sicher, wie gehabt rückt manchem Projekt die
Abrißbirne auf die Pelle, werden schon symbolische Besetzungen schwer
geahndet (so sind die Leute, die vor kurzem das ehemalige CocaCola-Gelände
in Bockenheim vorübergehend »besetzt« hatten, von der IG Metall als
Besitzerin auf 50.000 DM Schadensersatz verklagt worden) und sind
Projekte alltäglichen Anfeindungen von Seiten der Nachbarschaft
ausgesetzt. Dennoch bleibt zu konstatieren, daß die Lifestyle-Fraktion der
Neuen Mitte an den Wohnprojekten auf ihre Weise Gefallen findet. So
publizierten in letzter Zeit die FR, Fritz und das Journal Berichte, in
denen der kritische Impetus der Projekte zur Lebensstilfrage entschlackt
und zu einem Innovationspotential verkehrt wird, dem sich eine Weltstadt,
die »vorne mitspielen« will, nicht verschließen dürfe.
Gleichwohl
verweist diese (Möglichkeit der) Integration aber auch auf die aktuelle
Situation in den Projekten selbst. Viel Gewißheit und praktische Umsetzung
dessen, was an der »anderen« Wohnform das Kritische und Subversive ist,
findet sich mitunter auch hier nicht. Zugleich zeugt diese Situation auch
von einer Isolation der Wohnprojekte innerhalb einer Linken, der das
Wohnen scheißegal ist. Da in Not von der Szene kaum hinreichende
Unterstützung zu erwarten ist, bietet »gute Presse« oftmals den einzigen
Strohhalm, um den eigenen Ort zu sichern. In dieser merkwürdigen
Konstellation verwaschener Konturen entstehen dann auch mal
Soli-Flugblätter, in denen neben dem Symbol des Besetzerdrachens die
Bedrohung der projekteigenen Platanen als Argument herhalten muß, um für
die Unterstützungsdemo zu mobilisieren.
Nun ist es recht bequem, vom
regulären innerstädtischen WG-Sessel aus über die Krise der Wohnprojekte
zu schwadronieren, als wäre es so angemessen, sich der »Tauglichkeit« der
eigenen Lebensweisen gewiß zu sein. In diesem Heft die Thematik des
Wohnens aufzugreifen, ist Ausdruck der Einschätzung, daß die Mattheit der
gesamten Linken sich nicht nur in dem Niedergang ihrer alltagspraktischen
Konzepte und Projekte ausdrückt, sondern darin auch eine ihrer Ursachen
hat. Wie wohnen? beschränkt sich nicht auf diskrete Geschmacksfragen
(Altbau bevorzugt? Wieviele Quadratmeter dürfen's denn sein?), sondern
beinhaltet Auseinandersetzungen mit der eigenen Reproduktionspraxis.
Welche Verbindungen eingehen, welche Informations-, Austausch- und
Unterstützungsnetze herstellen, welche Nutzungsweisen ermöglichen, welche
Abhängigkeiten eingehen und welche nicht etc. - in dem Wie Wohnen? wird
verhandelt oder eben ignoriert, welche Bedeutung dem Linkssein jenseits
punktueller Kampagnentourneen in der alltäglichen Praxis zukommt.
Da
solche Diskussionen erst mal wieder aufzunehmen sind, zielen die
nachstehenden Texte zunächst darauf, an gemachten Erfahrungen
anzuschließen bzw. in der Gegenwart Bestandsaufnahme zu betreiben.
Wohnt doch!
Red.
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