Nicht jede Diskussion führt in die Freiheit
Die Sehnsucht nach und die
Im
Rahmen des antirassistischen Grenzcamps 2001 im Rhein-Main-Gebiet (siehe diskus
1.01) fand ein Innenstadt-Aktionstag gegen rassistische Ausgrenzungen in der
Frankfurter City statt. Wir, die Gruppe, die diesen Tag vorbereitet hat, blieb
bei der Nachbereitung des Aktionstages und des Camps immer wieder an
Situationen hängen, in denen Kommunikationen und Handlungen weniger bestimmt
waren von gemeinsamen oder unterschiedlichen Interessen und Inhalten. Vielmehr
waren sie durchzogen von beständigen (Re-)Konstruktionen der heiligen Trinität,
»den Flüchtlingen, den MigrantInnen und den Deutschen (UnterstützerInnen)«. So
gab es auf dem Camp kaum ein produktives Entrinnen aus diesem Wirrwarr von real
differierenden Hintergründe und beständig wiederhergestellten »identitärer
Differenzen«. Während der Diskussion über diese Problematik anhand
verschiedener Beispiele stellten wir fest, dass wir selbst immer wieder Teil
der von uns kritisierten Strukturen werden und sie in der Rede darüber gleichsam
reproduzieren. Der folgende Text rekonstruiert und fingiert die gruppeninterne
Diskussion. Uns scheint diese Form am ehesten geeignet, das Fragmenthafte,
Widersprüchliche und Unfertige der »unter und zwischen uns« herumgeisternden
Eindrücke und Positionen deutlich zu machen.
Innen_Stadt_Gruppe_FFM_01
j Erinnert ihr Euch an das Plakat mit dem
kleinen
schwarzen Jungen, der einen Papierflieger
wirft, und oben drüber der Slogan »Nicht jeder Flug führt in die Freiheit«? Aus
irgendwelchen Gründen wurde das zum zentralen Mobilisierungsplakat des
Grenzcamps erkoren. Da hätte ich gerade schon wieder gehen können. Was soll
denn dieser Bezug auf das süße kleine Kind, das doch nur spielen und frei sein
will?
I In den 80ern und 90ern war es ja mal extrem
an-
gesagt, Kinder dafür zu benutzen, das
Widerständische und das Authentische zu versinnbild-
lichen;
Kinder mit Waffen in der Hand als Symbol für alle widerständischen Menschen.
Ein solches Motiv jetzt wieder aufzugreifen, fällt hinter sämtliche Diskussionen
zurück, die in der antirassistischen Linken in den letzten Jahren geführt
wurden.
B Schief ist es aber auch dann, wenn du den
Jun-
gen als das arme Opfer-Kindchen nimmst. Ein
Appell an Mitleid – nein, so ein liebes Kind darf man doch nicht abschieben.
Hier wirbt man zwar nicht mit der Nützlichkeit des Jungen für sein Bleiberecht
– so wie bei den IT-Kräften –, aber man appelliert an ein menschliches
Mitgefühl. So als müssten Zuwandernde entweder nützlich, süß oder echt arm dran
sein. Dabei geht’s dann nicht mehr um eine politische Kritik am Grenzregime,
sondern um humanitäres Mitleid, wo-mit man selbst die Spaltung in gute und
schlechte Zuwanderer betreibt. In der Konsequenz werden Forderungen nach einem
Bleibe- oder Zuzugsrecht jenseits solcher positiv besetzter Kriterien
delegitimiert. Ge-gen den »unschuldigen« Jungen hat »Mehmet« jedenfalls keine
Chance.
Z Eigentlich sollte das Plakat ja ein Fake
sein,
indem es Motive von Plakaten von
Fluggesellschaften oder von Initiativen der Bundesregierung imitiert, um diese
Assoziation dann durch den Text zu brechen und eine linksradikale Kritik an der
Abschiebepraxis zu formulieren. Ähnlich sollte es ja auch bei der Campzeitung
sein, die wie eine Wurfzeitung aufgemacht war, um nicht gleich als
Autonomenblättchen zu wirken.
I Das ist ja wohl beides gehörig misslungen.
Das
Plakat war auf dem Camp präsent und es gab
kaum Kritik daran, was darüber repräsentiert wird bzw. repräsentiert werden
soll. Der Punkt ist doch, dass das Bild mit dem Slogan dem Stil gewisser Teile
der Antira-Szene haargenau entspricht. Als Symptom ist das Plakat eben kein
misslungener Fake, sondern eine gelungene Repräsentation eines Politikansatzes,
der auf der Betroffenheitsschiene fährt und Opfer, am besten widerständige
Opfer, zum Kult erklärt.
j So wie auf dem Eröffnungsplenum des Camps,
als jemand aus dem Aufnahmelager Schwalbach
sehr ausführlich seine Geschichte erzählte; da-von, dass er seinem Anwalt nicht
mehr traut. Die Reaktion auf dem Plenum war – wie so oft – ein betretenes,
peinliches Schweigen. Ansonsten hat sich niemand dazu verhalten. Plötzlich
forderte jemand dazu auf, Geld für den Mann zu sammeln. Und es wurde reichlich
gespendet, voller Erleichterung etwas tun zu können ...
Z Aber dass es in der Situation so unklar
blieb,
worum es ging, hängt doch auch damit
zusammen, dass sich auf dem Camp ständig verschiedene Ebenen vermischen: Immer
wieder geht es darum, was nach Außen repräsentiert werden soll. Dann soll das
Camp ein Ort für konkrete Unterstützungsarbeit sein – dass Leute einen Anwalt
suchen, mal aus dem Lager rauskommen und so weiter ... all solche Sachen, die
praktisch wichtig sind. Und schließlich gibt es den Gestus und Willen, dass das
Camp ein Diskussionsforum ist, auf dem verschiedene Gruppen mit verschiedenen
Positionen vertreten sind, die miteinander diskutieren.
j Entscheidend ist doch, dass er einfach ins
Leere
laufen gelassen wurde. Er hat ja auch
angedeutet, dass er sich eine andere Reaktion erhofft hatte als zum Empfänger
von Almosen zu werden. Außerdem bist du in einer solchen Situation doch schon
mit der strukturellen Nichtrepräsentanz solcher Geschichten konfrontiert.
Zumindest ergibt sich eine solche Situation genau daraus, dass er sonst kaum
Gelegenheit hat, seinen »Fall« darzustellen. Und natürlich gibt es auch
durchgesetzte Regeln, wie so ein Plenum läuft. Und wenn es die gibt, dann ist
es nur fair, diese eben auch einsichtig zu machen.
Z Es geht doch über
haupt nicht darum, ob der Typ die Situation
einschätzen konnte oder nicht ... was weiß denn ich. Offensichtlich gab es ja
eine Vielzahl von Leuten, für die diese Veranstaltung genau den passenden
Rahmen für seine Erzählung darstellte. Insofern hat er den Rahmen entweder völlig richtig eingeschätzt oder aber
das Problem liegt darin, dass es den Rahmen so gar nicht gab. Was mich viel
mehr nervt ist, dass manche aus dem Campspektrum doch geradezu ein Bedürfnis
nach solchen möglichst krassen, möglichst persönlichen Geschichten haben – und
den Beitrag von dem Typ zur Flüchtlingssaga inszeniert haben. Er wurde mit den
Worten angekündigt: »Jetzt will noch ein Flüchtling aus Schwalbach was sagen«.
Wenn ich ans Mikrophon gehe, sagt doch auch niemand, »Jetzt kommt ein deutscher
Student« oder so was. Dabei geht es nicht einfach nur darum, wie ich benannt
werde, sondern welche Haltung sich genau darin ausdrückt – diese Mischung aus
Bevormundung, Ignoranz und Gutmenschentum.
I Aus dieser Haltung ziehen doch manche noch
ihr politisches Selbstverständnis. Das hat sich
ja auch an der Reaktion auf den Typ von Kanak Attack
gezeigt,
der am nächsten Tag die Art, wie der Beitrag als Flüchtlingsrede inszeniert
wurde, scharf kritisiert hatte. Prompt wurde ihm entgegengeballert, dass er
doch gehen solle, wenn er sich solche Geschichten nicht anhören mag; so sei
halt die Wirklichkeit. Was ist ergreifender und passt besser in die eigenen
Schemata als ein Flüchtling, der sich hinstellt und seine Story vom
Schweinesystem erzählt? Je betroffener, umso besser, das legitimiert noch die
eigene politische Be-tätigung.
B Das stimmt schon, aber es ist auch ein
bisschen
billig, immer alles auf die
Gutmenschen-Antiras zu schieben. Es ist doch erst mal wahrzunehmen, dass sich
Schwierigkeiten ergeben, wenn Leute von unterschiedlichen gesellschaftlichen
Positionen aus sprechen. Da sind Klüfte präsent, die sich in solchen
Situationen artikulieren, die aber nicht erst hier produziert werden. Da sitzen
eben nicht nur mitunter nervige Leute mit auf dem Plenum, sondern der ganze
Ballast rassistischer Segmentierungen, durch die die unterschiedlichen
Lebensrealitäten und Sprechpositionen hergestellt werden.
Z Das mag ja sein,
aber es gibt ja auch andere als durch
rassis-
tische
Zuschreibungen hergestellte Spaltungen. Als seien die, die den
Status
»Flüchtling«, »Migrantin« oder »Deutsche« zugewiesen be-
kommen
haben, in sich homogene Gruppen. In-dem Unterschiede immer wieder auf diese
Identitätsschiene zurückgeführt werden, rekonstruierst du solche Stereo-
type,
und die Heterogenität der konkreten Situation, aber auch der Lebenssituationen
und in-
terne
Differenzen fallen völlig raus.
I Aber solche starren Festlegungen werden doch
permanent vorgenommen. Genau das ist
passiert, als die Presseerklärung zu den Überfällen auf einen Frankfurter
Genossen Anfang September mit dem Satz endetet, dass »das, was für viele
Flüchtlinge und MigrantInnen schon lange Realität war, jetzt in aller
Brutalität auch einen Freund und Genossen von uns getroffen hat«. Obwohl ich
weiß, dass dies keineswegs beabsichtigt war, wird durch die Gegenüberstellung
eine Trennung ausgedrückt zwischen (deutschen) GenossInnen und Freunden
einerseits, die den aktiven, widerständischen Part übernehmen und deshalb
Gefahr laufen, angegriffen zu werden, und Flüchtlingen und MigrantInnen
andererseits, die aufgrund ihres »Andersseins« angegriffen werden. In diesen
»wir«-»die«-Kategorien werden Flüchtlinge und MigrantInnen auf den Opferstatus
festgelegt. Als ob es keine Schnittmenge zwischen den beiden konstruierten
Gruppen geben würde, als ob Genossen nicht migrantisch sein könnten und
MigrantInnen nicht genossisch.
j Ich will doch noch mal zurück zu dem Thema
»Repräsentation«. Am ersten Abend des Camps,
noch während des Aufbaus, ging es plötzlich darum, dass ganz dringend
Flüchtlinge abgeholt werden müssen, die in Schwalbach vor dem Tor warten. Da
war sofort eine panische Stimmung da: Das muss jetzt ganz schnell gehen,
Nachfragen unbotmäßig. Dann bin ich halt auch mit hingefahren. Dummerweise hat
vor dem Tor überhaupt niemand gewartet. Vielmehr lief dann jemand vom Camp
hektisch durch die Unterkunft und hat Leute gesucht. Es war so augenfällig,
dass sich hier das Anliegen der UnterstützerInnen ausgetobt hat, eine Präsenz
von Flüchtlingen auf dem Camp zu ha-ben. Wichtig war, dass sie da waren und
zwar nicht als Personen mit bestimmten Interessen, sondern als
»Repräsentationsflüchtlinge«.
B Hauptsache, das Bild stimmt und zwar sowohl
nach Außen als auch gegenüber der eigenen
politischen Legitimität a la »Wir sind doch ein antirassistisches Camp, das
Kontakte zu Flüchtlingen hat, und nicht nur für sie und über ihre Köpfe hinweg
agiert«. Kannst du dir vorstellen, dass mit derselben moralingetränkten
Aufgeregtheit jemand übers Camp läuft, weil zehn Punker vom Bahnhof abgeholt werden
sollen?
I Da würde ich uns gar nicht so rausnehmen.
Wie
war das denn auf dem Innenstadt-Tag auf
unserem Konzert? Da war es doch so, dass wir erst drei »deutsche Bands« hatten
und dann Microphone Mafia noch dazu eingeladen haben. Hatten die nicht ein
Stück weit auch eine Alibifunktion, als Gruppe die migrantische Jugendliche
anzieht und sozusagen »vertritt«? Natürlich kann ich auch mit deren Musik was
anfangen. Knifflig wird es doch genau an dem Punkt, dass ich mich ja sehr wohl
darum schere, wem ich eine Bühne geben will und wer sich »repräsentieren« kann.
Darin gibt es aber diesen Moment von »ja, ja, eine migrantische Band wäre auch
wichtig«. Das ist halt ein scheiß instrumentelles Verhältnis.
j In dem die Stereotype allerdings nur
bestätigt
werden. Die beiden Typen von Microphone
Ma-fia bezeichnen sich selbst als deutsch-türkisch-italienische Band, womit sie
eine eindeutige Repräsentation bewusst konterkarieren. Wenn sie dann bei uns
schlicht als Migranten-HipHop firmieren, sind es wir, die hinter die
tatsächliche Differenziertheit zurückfallen.
Z Zumindest ist es schwierig, damit
umzugehen,
wenn man eine »deutsche« Gruppe ist und
gleichzeitig den Anspruch hat, nicht nur »stellvertretend für« jemanden Politik
zu machen. Natürlich versuchen wir das zu vermeiden, indem wir darauf
insistieren, dass »uns« der kontrollierte städtische Raum anwidert. Insofern
versuchen wir unsere Haltung zum Ausgangspunkt zu machen und nicht irgendwelche
Anderen, die ausgegrenzt werden. Hinsichtlich des Tons, den man anschlägt,
macht es für mich auch einen gravierenden Unterschied, ob man auf sein
Transparent »Eure Grenzen kotzen uns an« oder »Abschiebung ist Mord« schreibt.
Hinsichtlich der Sprache, der Symbolik und der Aktionen, die man wählt, gibt es
Entscheidungsspielräume. Gleichwohl ist man damit strukturell aus dem Dilemma
noch nicht draußen. Für den Innenstadttag während des Camps hatten wir doch zum
Beispiel überlegt, in der B-Ebene eine Aktion gegen rassistische Kontrollen zu
machen – Arbeitstitel »Rappen gegen Deppen«. Nur können wir nicht rappen. Und
wir haben mordsrumgemacht, wie wir jetzt Leute ansprechen können: »Hey, ihr
könnt doch rappen und ihr als Migranten habt doch auch echt schlechte
Erfahrungen mit den Sicherheitstypen gemacht; wollt ihr nicht während des
Innenstadttages die Show reißen?« Wie willst du das denn sagen?
j Natürlich ist das schwierig. Solche
funktionali
stischen Verhältnisse hätten wir aber
vermeiden können, wenn wir uns zu einem viel früheren Zeitpunkt mit Leuten
zusammengesetzt hätten und es offen gewesen wäre, was man zusammen machen will.
Z Als ich mit einem der »Rapkandidaten« gespro
chen habe, hat er auch erst mal seine
Skepsis gegenüber unserer Anfrage zum Ausdruck gebracht. Aus der Aktion wurde
dann zwar nichts, aber die Auseinandersetzung über das schräge Verhältnis hat
auch Verbindungen hergestellt, an die wir zukünftig anknüpfen könnten. Meines
Erachtens geht es weder darum, unterschiedliche Hintergründe zu leugnen, noch
sie festzuzurren, sondern nach Punkten zu suchen, an denen man sich trifft und
auch gemeinsam was losmachen kann.
B Tatsächlich hängst du aber sehr oft in
diesen Re
präsentationsgeschichten, zumal ja auch die
meisten Organisierungen in genau diesen Bahnen verlaufen. Könnt Ihr Euch an die
Veranstaltung von diskus und jungle world im BCN-Cafe im vergangenen Jahr
erinnern? In gewisser Weise »entspricht« es eben der gegenwärtigen politischen
Antira-Landschaft, dass da ein »Deutscher« für die eher klassische
Antifaposition, ein »Migrant« für Kanak Attack und ein »Flüchtling« für The
Voice auf dem Podium sitzen. Wenn du dich bemühst, verschiedene Positionen
darzustellen, dann rutschst du sehr schnell in diese Repräsentationslogik und
prompt sitzen die Leute als RepräsentantInnen da.
j Das wird aber doch erst dann
problematisch,
wenn die Beiträge dann an diese
SprecherInnenposition gebunden bleiben. Zum Beispiel hat der Vertreter von The
Voice politische Einschätzungen vertreten, die echt nicht meine waren. Aber es
war ein »Flüchtling« und sofort dachte ich: Okay, der ist halt in einer viel
prekäreren Lage und da spare ich mir meine Kritik.
Z Diese Behutsamkeit im Umgang hat aber auch
gar nichts mit Respekt zu tun, sondern mit
purer Ignoranz, vielleicht sogar mit Rassismus. Es ist doch okay, wenn die
Leute dort als RepräsentantInnen sitzen – wenn sie Positionen repräsentieren
und nicht vermeintliche Identitäten. Speziell den Leuten von The Voice wird
doch häufig so begegnet, als seien sie Gäste: Freundlich, diskret und bloß
keinen Eklat produzieren. Das ist kein Verhältnis, in dem du Leute ernst
nimmst. Und nur wenn du das tust, kannst du sie auch kritisieren, aber auch
Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausloten. Statt sich ständig in Fragen über
Differenzen, Repräsentation und Identitäten zu wälzen, fände ich es wichtiger,
über die Positionen als inhaltliche Statements zu diskutieren.
I Es ist aber leider nicht so, dass Statements
von
den Positionen, von denen aus sie geäußert
werden, völlig entkoppelt sind. Und solange diese Verbindung real wirksam ist,
solange Leuten hierarchische Positionen zugewiesen werden, kannst du das nicht
einfach wegreden oder ignorieren. Zumindest ignorierst du damit, dass die
Frage, wer, wie, wo und was sagt, nicht frei ist, sondern von Machtverhältnissen
durchzogen ist, die du nicht einfach voluntaristisch wegwischen kannst.
Z Du kannst sie aber durcheinanderbringen. Ich
fand beispielsweise die Performance von dem
Vertreter von Kanak Attack auf der BCN-Veranstaltung eigentlich ziemlich
irritierend. Da saß er, hat sich eloquent präsentiert und sich und den Typen
von The Voice als Kanaken bezeichnet. Da dachte ich mir, ach komm, mach mal
nicht die eminenten Unterschiede zwischen dir und dem Flüchtling weg, der sich
unter anderem mit der Residenzpflicht rumzuschlagen hat. Gleichzeitig war ich
erstaunt darüber, warum es mich in meiner Position jetzt gerade ihm gegenüber
so reizt, das Spektrum von besseren oder schlechteren Lebensrealitäten wieder
in Ordnung bringen zu müssen.
I Statt immer wieder diese getrennten Sphären
zu
festigen, müssten der Blick und die
politischen Ansätze doch viel stärker auf die jeweiligen Schnittpunkte,
Vermengungen und Unklarheiten zielen und hier was herstellen. Es geht eben um
eine Aufmerksamkeit für solche Orte, Momente und Verbindungen, die es dir
möglich macht, den ganzen Identitätskrempel hinter dir zu lassen und die
politischen Inhalte in den Vordergrund zu stellen. Ich muss ja nicht so tun,
als sei jeder aus dem Aufnahmelager in Schwalbach mein bester Freund, und
irgendwelche vermeintlichen Bündnisse und Gemeinsamkeiten übers Knie brechen.
Aber es geht darum, die politische Perspektive sehr konkret in eine Richtung zu
drehen, in der ein Austausch mit Leuten und Gruppen, mit denen ich was anfangen
kann, möglich und selbstverständlich wird.
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