Wunschmaschine

»wenn ich eine fee wäre ...«

»Wenn ich eine Fee wäre und Sie nach ihrem Wunsch fragte, dann würden Sie sehr still werden. Denn auf diese Frage wüssten Sie so plötzlich keine Antwort. Nicht, dass Sie gänzlich, gewissermaßen: wunschlos glücklich wären, das nicht. Schließlich leben Sie mitten im Kapitalismus. Und so richtig toll geht es da ja eigentlich niemandem. Immer mal wieder, wenn Sie ganz traurig waren oder sehr wütend, dann haben Sie auch schon mal die eine oder andere verwünscht und sich manchmal auch das eine oder andere gewünscht. Aber jetzt auf einmal fällt Ihnen kein einziger Wunsch mehr ein. Das heißt, Wünsche fallen Ihnen genug ein. Das, was sich alle eben so wünschen: Frieden, einen Lottogewinn und solche Sachen halt. Das sind ja schon Wünsche und auch nicht die schlechtesten. Aber eben nicht Ihre Wünsche, nicht Ihr Wunsch. Und schließlich, wenn Sie schon mal jemand fragt: Warum sollten Sie sich mit weniger zufrieden geben als mit allem. Aber was genau soll das sein? Und auch darauf haben Sie jetzt auf die schnelle keine Antwort parat. Das ist auch nicht weiter verwunderlich. Denn es fragt Sie ja nicht jeden Tag jemand nach Ihrem Wunsch. Sie sind einfach nicht richtig vorbereitet.

Genau das ändert sich jetzt. Denn diskus fragt Sie nach Ihren Wünschen. Allerdings nicht deshalb, weil diskus jetzt eine Fee geworden wäre. Sondern weil er / sie diese Wünsche braucht, um sie in die transitorische Wunschmaschine einzuspeisen, die extra für dieses Heft konstruiert wurde. Deshalb werden auch nicht irgendwelche Wünsche gebraucht. Sondern solche, die Ihrem Alltag entspringen um auf die Bühne der Weltgeschichte zu hüpfen. Es können auch ganz kleine (Flohwünsche) sein. Hauptsache, sie hüpfen ein wenig.«

[Aufruf der Red.]


»Ich wünsche mir …

Kilometerweise Bücher und Cds. Zeit zum Verschwenden. Umsonst einkaufen im Media-Markt. Computer zu verstehen. Unzählige Folgen meiner Lieblings-Fernsehserie. Einen neuen Reiseführer. Die Espresso-Maschine aus der Bar in Palermo. Ein großes altes Haus, umgeben von Olivenbäumen, ein riesiger gedeckter Tisch im Innenhof. Unmengen von Bargeld in Reisetaschen und in fetten Bündeln in Geldklammern. Katzenfutter, das nicht stinkt. Die Verwandlung von Rechnungen in Briefe und manchmal ein Paket. Einige gadgets gegen die alltäglichen Widrigkeiten aus der Werkstatt von Q. Ein Cushicle (eine sich selbst aufblasende nomadische Wohneinheit mit maximalem Komfort bei minimalem Aufwand, gibt’s im Internet). Ab und zu ein Feuerwerk. Und ein Klo, das sich selbst putzt.

Ich wünsche mir die Glatze Foucaults und die verschlissene Aktentasche von Toni Negri. Ein paar Gesten von Tom Waits. Die Stimme von Romy Schneider. Den Style von James Bond. Ein bisschen was von Iggy Pop. Eine Sammlung schockierend-drastischer Sätze aus dem französischen Kino. Einen Körper, den ich nicht immer nur mit mir herumschleppen muss. Dass es nicht immer wieder heißt: ich, ich, ich. Ich wünsche mir, dass Dinge unkomplizierter wären, vor allem ich selbst. Unsichtbar zu werden.

Eine freudige Überraschung, temporäre Kontrollverluste, neue Aussichten. Einen Tag im Grünen (vielleicht auch eine Woche, einen Tag, einen Monat). Eine lange Abfahrt mit dem Fahrrad. Alltägliche Wege voller Irritationen, Abkürzungen und Ereignisse. Die drastische Reduzierung unerfreulicher Erlebnisse. Dass Besuch kommt, der nie zu kurz, manchmal aber auch länger bleibt. Einen Tabula-Rasa-Tag, an dem sich die Lust an der Zerstörung austoben kann. Dass sich in den Trümmern neue Wege eröffnen, neue Ausblicke auf eine andere Stadt für ein anderes Leben. Ein paar Momente. Ein Abenteuer Alltag. Eine Nacht mit. Dass manche Wünsche unerfüllt bleiben und andere geheim.

Dann würde sich mein Leben ändern: Freunde wären da, wir würden viel Zeit auf der Terrasse des Landhauses verbringen, viel trinken, uns gegenseitig großartige Platten vorspielen und schlaue Gespräche führen. Aus dem Pool würde immer wieder, für einen kurzen Moment, die Wahrheit auftauchen. Geld würde keine Rolle mehr spielen, zumindest niemanden mehr belästigen. Das Leben wäre schick, sexy, radikal – nicht immer nur ›nett‹. Körper würden sich neu erfinden, vermischen und verkleiden. Um Zeit zu verschwenden, würde man die verschlungenen und geheimnisvollen Muster betrachten, die Katzen auf ihren nächtlichen Wegen hinterlassen oder sich ein neues Spiel ausdenken; vielleicht eine Maschine erfinden, die absurde Themen für den Small-Talk ausspuckt.

Wir würden in Bewegung bleiben, das mit allen Annehmlichkeiten ausgestattetes Cushicle auf dem Rücken, bewaffnet mit dem Reiseführer, der nicht darüber entscheidet, was sehenswürdig ist und was nicht. Der Blick würde abschweifen, sich von Nebensächlichkeiten anziehen lassen, anderen Blicken antworten. An allen Ecken würden sich Möglichkeiten eröffnen, statt immer nur nach B, würde der Weg von A auch nach C oder D führen, und es würde unklar bleiben was an diesem Ort passiert.

Die Dinge wären einfacher, nicht nur, dass die S-Bahnen die ganze Nacht fahren, man würde auch nicht mehr so häufig gegen den eigenen Willen Dinge tun, nur weil man nicht aus seiner Haut kann. Hin und wieder würden Fernseher aus Hotelzimmern fliegen, Statuen geköpft und Hindernisse in Trümmer gelegt werden, um Freiraum zu schaffen und durchzulüften. Der Alltag wäre ein Spiel, dass nicht länger immer nur »Mensch, ärgere dich nicht!« schreit. Und immer noch gäbe es jede Menge Wünsche.«

[Lars Schmid]



kleiner wunsch

»Mein einer Wunsch ist ganz klein – aber effektiv: Er setzt auf der naheliegendsten Ebene an, bricht die ewigen Kompliziertheiten im interpersonellen Umgang auf: Ich wünsche mir/uns allen das Wort, das Liebhaberinnen aus den Menschen macht.

In einer gegebenen Situation würde jede Person, die ich mit diesem Wort anspreche, mir sofort um den Hals fallen. Wenn sie will, natürlich nur. Und da wird es ein wenig komplexer, da setzt ein kleines Extra meines Wunsches an: Das Wort wäre natürlich nicht wirksam ohne Gegenpart. Das Wort würde keine penetrierende Forderung übermitteln, sondern in einem umfassenden Sinne sozial sein. Praktisch liefe es dann so: Aus einem meiner plötzlichen Impulse, aus einem alltäglich akuten Anfall von Zärtlichkeit heraus würde die message ausgelöst, die intelligente Innenmechanik würde bestimmte Gefühle automatisch an die Adressatin übermitteln – kodiert und ohne bewusstes Zutun meinerseits. Die aber kämen nur an, wenn von dort auch ein Kode gesendet wurde. Sonst wäre es eben, nach außen: ein Moment, ein Atemzug wie jeder andere, und innen: nicht zu fühlen, im positiven Sinne sublimiert. Das erspart Peinlichkeiten! und das erspart Enttäuschungen, denn was unterbewusst geschieht, erzeugt keine Erwartungen. Und was nicht wahrgenommen wird, unterliegt keiner (Fehl-)Deutung. Narrensicher also.

Lass es uns noch mal durchspielen: vice versa würde ich, Bereitschaft, Begehren, Lust mal vorausgesetzt, plötzlich den unwiderstehlichen Drang fühlen, mein Gegenüber in den Arm zu nehmen – und wüsste natürlich, dass ich damit auf der sicheren Seite bin: das / die Gegenüber wollen das nämlich auch, sonst hätte es mich gar nicht überkommen können ... Wichtig ist, dass über solche Sachen dann nicht mehr nachgedacht werden bräuchte ... Alle Taktierereien wären unnötig geworden.

Personelle Erweiterungen der Schaltung sind natürlich denkbar. Wie das als tragbares device oder Implantat aussähe, ist noch nicht klar. Aber die Designer sind, hoffe ich doch, im Wunsch inbegriffen. Und Leute für die Feineinstellung.

Das aufheben des Andock-Zustandes wäre nicht unbedingt Teil des Wunsches; aber es scheint wenigstens sinnvoll, dass das von anderen gewünscht wird: Existieren zwar genügend Formen von Loslassen im besonderen und Ent-lieben im allgemeinen, so gehen sie doch ganz selten ohne irgendeine Enttäuschung ab; und die, eben, wäre zu vermeiden ... Aber das ist ein anderer Wunsch und soll ein andermal gewünscht werden.

Ach ja: freilich ist das nur der Anfang einer glänzenden Zukunft; instant communism – ne faut que savoir la parole juste ... also wünscht fleißig: dann klappt’s auch mit den Nachbarn.«

[vera pelle]



»Blau.

Am Meer sein,

um Meer zu werden,

damit ich Meer werde,

damit ich mehr werde,

damit ich viele werde,

damit ich nicht-ich-ich werde,

um Zeit (und nicht Raum) zu werden,

umzu-werden,

ach, das wäre doch schön!

das wäre doch schön,

wenn das Werden gelänge,

und nicht eingeholt würde

durch ein Zersplittern, ein Zerstückeln,

ein Zersprengen, ein Unterbrechen,

wenn das Werden und Wünschen

ohne das Ohne auskäme,

wenn eben werden wäre.«

[zirpe]



Mal ich

»Ich würde mir wünschen, in jeder diskus-Ausgabe nur noch Wunschtexte zu veröffentlichen.

Seelenkitt. Poesie. Sprachspiele. Nähe. Leidensdruck. Endlich mal Ausruhen.

Ich wünsche mir, dass niemand mehr merkt, dass ich eigentlich kein autonomes Subjekt bin.

Ich wünsche mir keine Überraschungen.

Wunschpraxis – Zustand des Leerlaufs auf vollen Touren.

Ich wünsche mir die abstrakte Zeitordnung aufzuheben, die zu Missverständnissen und sinnloser Arbeit führt.

Ich wünsche mir, ich hätte meine Sätze schon früher mit ich angefangen und könnte mich darin sammeln.«


[streuobstwiese]



Knopf

»Mein Wunsch – auf gut Glück – wäre eine ein- und ausschaltbare Gehirnfunktion (d.h. ich möchte selbst entscheiden können, wann ich sie einsetze und wann nicht), die es mir ermöglichte, gesellschaftliche, politische, philosophische ... Zusammenhänge zu durchschauen und auch anderen überzeugend zu erklären. Das wäre wie ein Werkzeug, das ich dann hoffentlich zum Guten einsetzen würde, und dann könnte ich auch besser herausfinden, was aus meiner Sicht und auch für andere das Gute wäre. Da ist so viel Gestrüpp allerorten, das mich dumm macht, und dann stehe ich verzweifelt vor dem, was mich bedrückt und kann gar nichts dagegen unternehmen. Ein Plan könnte der erste Schritt sein.

Momentan glaube ich doch nur zu wissen, wo die richtige Richtung ist. Und weil ich redlicherweise nicht behaupten kann, damit garantiert Recht zu haben, ist es eine zweischneidige Sache, wenn ich andere dazu bringen möchte, sich mir anzuschließen. Wenn ich aber allein bin, kann ich weniger ausrichten, als wenn da mehr Leute sind, die das gleiche für richtig halten. Ich will es ihnen ja nicht aufdrücken, sondern ihnen nur helfen, es genauso zu sehen. immer unter der wackeligen Vorannahme, dass es das »richtige« überhaupt gibt. Aber dank der von mir gewünschten Gehirnfunktion könnte ich darüber urteilen.

Es müsste den Charakter eines Angebots an meine Mitmenschen haben, das sie annehmen oder ablehnen könnten. Ich habe keine Angst davor, Kassandras Schicksal zu teilen. Es geht mir um die Erkenntnis mehr als um die Durchsetzung irgendwelcher Absichten. Aber ich will das Überzeugen-Können nicht von vornherein ausschließen, denn dann müsste ich mich ja fragen, wozu das Ganze. Bloß besserwisserisch will ich nicht werden, weil mich das selber nerven würde. Dafür die Ein- und Ausschaltfunktion. Natürlich müsste es eine Kontrollleuchte geben, damit man sieht, ob die Funktion ein- oder ausgeschaltet ist.

Wenn die gute Fee mir meinen Wunsch erfüllt hat, werde ich mir selbst eine Reihe Fragen stellen. Vorzüglich die Revolution betreffend. Und all das, was mich mein freundlich gesonnenes Umfeld immer zu meinen politischen Aktivitäten fragt und das ich im Moment noch nicht zu beantworten in der Lage bin. Es erscheint mir nicht ausreichend, so vieles nur mit einem Gefühl begründen zu können.

Wünschen können erscheint mir gut und wichtig. Ich leide unter zu vielen Sachzwängen und kann noch nicht mal formulieren, wie ich gedenke, den Schritt von meiner aktuellen Situation zu der schönen gewünschten zu vollziehen. Die Leute, die immer sagen, dass das alles gar nicht geht, machen mir Angst. Weil ich nicht in der Lage bin, ihnen mein Konzept zu erklären, wollen sie mir einreden, dass es alles keinen Sinn hat und man sich mit dem Vorgefundenen abfinden muss. Etwas treibt mich, trotz allem im Nebel meine Schritte zu suchen, und ich möchte gerne einfach nur wissen und sagen können, was es ist.«

[be.hero]



Kreativ-Exekutive

»Oh Gott, einen Wunsch frei ... Was soll ich mir jetzt so schnell wünschen ... Jetzt bloß nichts falsch machen ... Wie war das noch, also ich wünsch mir, dass alle meine Wünsche in Erfüllung gehen. Mmhh, wenn das dann aber vielleicht zuviel ist und mir gar nichts erfüllt wird? So wie bei dem Fischer, der den Butt wieder schwimmen lässt und sich dafür was wünschen darf. Seine Frau will, dass er sich immer mehr wünscht und am Ende wird’s dem Butt zuviel und alles ist wieder beim Alten. Ich will aber wünschen für mich und nicht für andere und die Geschichte ist doch sowieso nur dafür da, mich bescheiden und nett zu machen. Kindergeschichten, um Bescheidenheit zu implantieren. Oder die Geschichte der Wunschmaschine vom Sams, wo eine Wunschmaschine ohne Hebel oder Knopf herauskommt. Ich will das Fliewatüt von Robi, das mit Himbeersaft von der Tante (wie hieß die noch gleich?) funktioniert!

OK, also einen einzelnen Wunsch ... Was ich mir so wünsche, soll aber nicht langweilig oder zu einfach sein ... Also muss der Wunsch kreativ sein, darf nicht gutmenschlich sein, wie Glück für alle Menschen, was zu Essen oder so ... nicht einfach viel Geld oder einen Lotto-Gewinn, am besten etwas Witziges ... Wie ich das hasse, auf Kommando kreativ sein zu müssen, im Sinne von »jetzt malt ihr alle mal, was ihr so fühlt« ... Wie soll ich etwas wünschen, wenn ich doch gelernt habe, eigentlich nur das zu wünschen, was ich sowieso haben könnte?

Und trotzdem wird ständig von mir erwartet, kreativ zu sein, nicht langweilig, sondern das Neue, Interessante soll mir quasi mit der Anleitung zur Realisierung aus dem Kopf fallen. Da wünsche ich mir doch lieber, dass ich nie wieder auf Kommando spontan, witzig, kreativ oder etwas dergleichen sein muss. Vielleicht fällt mir ja dann was ein.«

[nico hausmeister]



Mondpark

»Ich will endlich meinen Park! Einen Park, wo nicht jemand rumläuft, der darauf aufpasst, was ich darf oder nicht. In meinem Park darf mensch einfach alles. Vor allem grillen natürlich. Es gibt überall Grills, nein besser noch Lagerfeuer, wo ich immer eingeladen bin noch was mit drauf zu legen. Oder wenn ich Lust habe, pflanze ich Basilikum oder Tomaten oder Paprika. Zum Gießen kommen einfach Leute vorbei, auf ein Schwätzchen und unterhalten sich mit mir darüber, ob dies ein gutes Paprika- oder Gurkenjahr wird. Wenn ich mal wieder was bauen will, besorg ich mir Strohballen und bau ein Haus oder eine Burg draus und weil sie ganz mir gehört kann ich sie hinterher auch einfach wieder in die Luft sprengen. Alle meine Freunde kommen in den Park, lesen mit mir oder sagen nur mal so Hallo. Und wenn ich grad nicht da bin, ist das auch nicht schlimm, sie treffen ja die andern da. Aber eigentlich bin ich immer da ... komm doch mal und besuch mich oder soll ich bei dir auf dem Mond vorbeischauen?«

[klaus martens]



The trick is to keep breathing

»Manchmal wünsche ich mir, dass das aufhört mit dem Wünschen. Ständig fällt mir nämlich was ein zum Wünschen. Und dann manchmal, geht mal einer in Erfüllung, – und nicht, dass ich mich dann nicht freue, schon – aber ganz schnell, viel zu schnell, hab ich vergessen, dass ich’s mir gewünscht habe und schwupps ist ein neuer Wunsch da, ein herzzerreißenderer, ein achtmal-klügerer, ein tieferer und ein leidenschaftlicherer und der drängt sich auf und nervt mich neu und stört mich beim Freuen. Der Wunsch von vorher, die Erfüllung ist nicht mehr erfüllend, schmeckt fad, fahl und abgestanden und ist ja auch eigentlich! überhaupt gar nicht das Richtige. Aber jetzt: weiß ich es besser. Deswegen mach ich mich mit neuer Leidenschaft ans Wünschen. Zum Beispiel früher: Da sollte es dieses sein (»Ich hätte gerne einen Hasen einen ECHTEN«) oder dann doch besser jenes (»Hasen sind langweilig, die machen ja keine Geräusche und so klein sind sie auch, ein Pony muss her, diiiie sind toll«) und danach auf jeden Fall so (»ach Ponys sind was für kleine Mädchen und beste Freundinnen, ich will mich ganz groß verlieben«)... na ja und weiter so vom Häschen zum Pony zum Traumprinz und endlich – ich bin ja nicht blöd doch lieber – zum Kommunismus (da wart ich noch drauf).

In der Zwischenzeit ärgere ich mich weiter rum mit den kleinen Wünschen: mit Grillen in meinem Park um die Ecke, mit weniger Fett um den Bauch und weniger Stress mit meiner Freundin und manchmal trau ich mich an größere: Begegnen möchte ich Anderen, keine Angst mehr haben vor Nähe und neuerdings will ich auch mehr Distanz zulassen, ein bisschen böse sein können und ein bisschen mehr verletzlich, ein bisschen weniger kontrolliert, ein bisschen widersprüchlicher und immer will ich ein bisschen besser ausatmen. Genau: das mit dem Atmen ist auch so eine Geschichte, gedauert hat’s bis ich das Atmen wieder gelernt habe, vor lauter Wünschen und Wünsche an- und einsammeln hatte ich doch ganz vergessen manches wieder gehen zu lassen, loszulassen und auszuatmen, und dann haben die gesagt, das ist Asthma, das haben viele, manche ersticken dran. Ich hab mich erschreckt und mir gewünscht, dass es weg geht. Das hat nicht so gut gewirkt, aber dann hab ich mir gewünscht, es zu verstehen und das hat ein bisschen geholfen, aber verstanden hab ich eigentlich nur, dass ich wenig weiß, von mir, von meinen Wünschen und von dem, was ich will. Aber das ist vielleicht auch gar nicht so wenig.

Dennoch anstrengend ist sie, die Wunscherfüllung. Ein Wunsch ist erfüllt, eine Tür aufgegangen und vor mir sind 114 neue Wunschtüren und die Schlösser dran sind sogar noch komplizierter als die Traumschlösser dahinter und immer noch oder immer wieder ist es grüner das Gras auf der anderen Seite und saftiger sind die Menschen, die darauf liegen. Sie sehen glücklicher aus und zufriedener. Wenigstens von so weit weg. Aber auch wenn wünschen und Wunscherfüllung einen manchmal aus der Puste bringen können, setzt wünschen doch in Bewegung. Je stärker der Wunsch, desto mehr passiert. Das wenigstens ist nicht schlecht. Aber vorsichtiger und langsamer bin ich geworden beim Wünschen. Der Wunsch kann nämlich in Erfüllung gehen und dann geht die ganze Scheiße wieder von vorne los.«

[dinite]



Suicidebunnies

»Guten abend liebe - freundinnen. Hier ist die neue welt und sie haben alle wünsche frei. Danke. Bitte, laden sie mir ein kleines programm, einen zufallsgenerator mit acht jahren, aber nein doch lieber nur acht wochen laufzeit und einem ereignis. Kein problem. Zufallsvermittlung ist unsere spezialgebiet, eine jahrhundertelang erfolgreich erbrobte tradition steht als garant hierfür. Was würden sie denn gerne erleben oder wollen sie nicht gleich ein neues leben? Nur ein ereignis? Sind sie sich sicher, wir organisieren auch gerne eine endlose geschichte mit immer neuen aufregenden episoden. Danke, nein. Eine überraschung soll es werden. Einmal ganz plötzlich in beglückendster weise überwältigt werden, sich sanft von hinten ankuschelnd, aufregend offensiv von vorne einnehmend. Links und rechts den körper fixierend bis die form sich kongruent zum inhalt verhält. Und dann, als prinzessin durchs wunderland purzeln um letztlich im schlund der cheshire cat zu entschwinden. Selbstverständlich. Wir werden die simulation nach vorlage der xtc erfahrungen programmieren. Und wenn ihr lächeln die 3 minuten marke erreicht, werden sie hinten über in eine mit flokati ausgekleidete box entgleiten. Wenn wir glück versprechen, können sie sicher sein, dass es sich wie ein globales anfühlt. Soll es, wie in ihrem falle nur noch einmal sein, dann – und hier sprechen wir aus erfahrung – wird es ein besonders ausfüllender zustand.

Guten morgen. Sind sie jetzt glücklich? Nein. Schade, dabei haben wir es ihnen so sehr gewünscht. Nun haben wir statt der tristesse totale finsternis, ein besseres leben ist das nicht, wie auch, es ist ja nicht. Sie haben noch wünsche oder hätten gerne (wieder) welche? Dann verraten wir ihnen nun wie´s besser funktioniert. Sie wünschen sich zum beispiel ein schloss mit einem garten für sie und ihre freundinnen ganz allein und weil sie gerne hier wohnen bleiben würden, müsste die frankfurter innenstadt ihrem wunsch weichen. Nun gibt es – vielleicht auch die restlichen frankfurterinnen überzeugende – gründe dafür die stadt neu zu gestalten. Wenn danach aber die mehrzahl der menschen das gelände nicht mehr betreten darf, dann müssten sie wohl mit gewalt ihren wunsch verteidigen. Doch für die schmerzen der anderen verantwortlich sein? Nein, da können sie ihr neues glück auch nicht mehr so richtig genießen. Die abhängigkeit der menschen untereinander müsste also beachtung finden. Sie könnten sich wünschen, dass die anderen das gleiche wie sie wollen. Aber dann sind ja alle wie sie und das wäre auch ziemlich öde. Deswegen sollten sich alle was wünschen, vielleicht taucht ja auch ein wunsch auf, dessen notwendigkeit ihnen bisher verschlossen blieb. Vor allem aber ließe sich so vermeiden, dass die anderen unter ihren wünschen leiden müssten und sie am schlechten gewissen. Doch hört die wünsche keine sternschnuppe, kein ausgeblasener geburtstagskuchen, kein gott und auch kein kummerkasten, erst wenn sie laut und immer wieder vorgetragen, aufgetischt und reingemischt werden, erst dann können sie wirklich werden.«

[flokati]



»Ich will wissen, wo die Fee wohnt.«

[a.leck]



Alles läuft gut

Warum eine Politik des Wunsches nichts damit zu tun hat, sich etwas zu wünschen.

»Zu Beginn des Filmes sieht man einen Wurstfabrikanten, der vom Ende des Klassenkampfes und dem Beginn eines Kapitalismus mit menschlichem Antlitz spricht. Als es ihnen reicht, sperren die ArbeiterInnen ihren Chef in sein Büro und besetzen die Fabrik. Langsam beginnen sie über direkte Aktionen zu diskutieren, über die Arbeit am Fließband und dass sie es leid sind, von anderen vertreten zu werden, Gewerkschaftern, Soziologinnen, Journalisten. Dazwischen findet sich die Geschichte von ihr und ihm. Sie (Jane Fonda) ist amerikanische Journalistin in Paris und berichtet über den Streik in der Fleischfabrik. Seit einigen Jahren ist sie zur Expertin für französischen Linksradikalismus geworden, eine Spezialisierung, die ihr lächerlich vorzukommen beginnt. Sie fragt sich, warum sie Berichte über Aktionen schreibt, die im Sender auf ein paar karrikierende Formulierungen zusammengekürzt werden. Er hingegen (Yves Montand) ist Ex-Militanter und ehemaliger Nouvelle Vague-Filmemacher, der nicht mehr weiß, was die Parole La lutte continue in seinem Leben bedeuten könnte. Er macht jetzt Werbung und nennt das einfachheitshalber Ehrlichkeit. In der zweiten Hälfte des Films wird sie ihm erklären, dass ihr das Bild, das er von ihrer Beziehung hat, nicht mehr gefällt. Für einige Sekunden sieht man einen erigierten Schwanz. Sie beginnt, über Arbeitsverhältnisse von VerkäuferInnen zu recherchieren. Die letzte Szene spielt in einem Großraumsupermarkt, einer der gesellschaftlichen Fabriken außerhalb der Fabrik. Langsame Fahrt an 25 Kassen entlang, dahinter der Stand eines KPF-Funktionärs: »›Mieux vivre!‹ das neue Programm der kommunistischen Partei für nur noch 4 Francs 75!«. Der Stand wird von AktivistInnen umringt. Gegen das fordistische »Besser Leben« der KPF geben sie die Losung »Alles gratis!« aus. Die Leute drängen mit ihren vollen Einkaufswagen zum Ausgang. Und da ist sie auch schon, die Polizei, und verprügelt die militanten KundInnen in ihrem kostenlosen Konsumtionsglück.

»Tout va bien« von Jean Pierre Gorin und Jean-Luc Godard aus dem Jahre 1972 bebildert die neuen Aktionsformen, die nach 1968 wie Leuchtspurgeschosse in den Himmel steigen. Eine Reihe privilegierter politischer Artikulations- und Denkweisen werden infrage gestellt: die Fabrik als erster Ort des Kampfes, die Arbeiterklasse als Geschichte machendes Kollektivsubjekt, die Bewegung des Kapitals als formgebendes Moment der Gesellschaft, die Teleologie des hegelianischen Marxismus, wonach der Kapitalismus an seinen prozessierenden Widersprüchen zugrunde gehen werde. Alle machtvollen Repräsentationen politischer Arbeit werden angreifbar: der Avantgardismus des Kaders, die Organisationsform der Partei, das Pathos des Kämpfers, die Stellung des linken Intellektuellen, die traurigen Leidenschaften der Militanten: Disziplin, moralische Belehrung, schlechte Laune. Die Fronten multiplizieren sich. Man kann in der Beziehung genauso wie am Arbeitsplatz kämpfen. Damit wird die Grenze zwischen Politik und Leben niederschwellig. Im politischen Aktivismus artikulieren sich Aspekte sozialer Dissidenz, die bisher kaum sichtbar oder von den kommunistischen Parteien nicht zum Politischen zugelassen worden sind. Die Frage des Wunsches, des Glücks, des Versprechens wird auf allen Ebenen gestellt. Gibt es ein Begehren, das nicht dem psychoanalytischen Gesetz untersteht? Warum hat eine Politik des Wunsches nichts damit zu tun, sich etwas zu wünschen? Der Satz, ich wünsche mir Kommunismus, ich wünsche mir, KommunistIn zu sein, ist eher politischer Religiosität verpflichtet, dem Gefühl, dass etwas kommen wird, und der Leidenschaft, sich dafür hinzugeben, also etwas aufzugeben. Bei einer Politik des Begehrens geht es aber um Produktivität, also darum, Situationen zu produzieren. Das klingt inzwischen ziemlich scheiße, zuviel Situationistische Internationale-Revival, zuviel Event-Geschwafel. Die Idee hingegen war nicht schlecht. Nicht denken, es gehe um Begehren »nach« Revolution, um ich will dies, ich will das. Wie aber jenseits von Subjekt-Objekt-Verhältnissen denken? Das Begehren ist nicht als das Begehren eines vorgefundenen Subjekts zu verstehen, sondern eher als Name für einen Vektor, der dazu führt, dass es keine Schließung des gesellschaftlichen Verhältnisses zur Totalität gibt, dass dem gesellschaftlichen Verhältnis immer etwas entgeht, dass dieses Darüberhinaus von keinem Gesetz bestimmt ist und nicht automatisch zur Wiederholung des Selben in veränderter Gestalt führt, weder zufällig noch notwendig, weder reine Modernisierung noch beliebige Öffnung.

Damit drängt sich die Frage nach dem Verhältnis von Kapitalbewegung und minoritärer Politik auf. Was ist der Unterschied zwischen dem Glück, das die Reklame verspricht, und glücklichen Momenten eines Lebens? Wie sicher bist du, was diesen Unterschied angeht? Und LSD? Wie lange willst du warten? Ist Glück immer ein zu kommendes? Was aber bedeutet Jetzt Sofort? Was heißt, »Bye, bye kleines Glück, erledigt die synthetische Zeit, bombardiert die Vororte des Schlafs, sprengt die City des Traums«?

Politisch wird an Momente angeknüpft, die verschüttet waren, Erfahrungen minoritärer Militanz, wie sie vielleicht die Pariser Kommune ausgemacht haben, oder jene Momente, die 1917 ermöglichten und die in der kommunistischen Politik seit 1919 Schritt um Schritt kaputt gingen, die Politik von Lokalkomitees, Fabrikräten, Viertelorganisierung, Erfahrungen, die sich nicht um Arbeit und Produktivkraft als das Zentral-Imaginäre des Kapitalismus anordnen, sondern um das alltägliche Leben. Diese Leidenschaft der 68er, alles zu einer politischen Frage zu erklären, vollzieht sich aber innerhalb der Bewegung moderner Macht. So dynamisiert sich die Spießerumgebung der 50er Jahre nicht nur unter dem Druck sozialer Kämpfe, sondern innerhalb einer dreifachen Bewegung biopolitischer Mobilmachung, kapitalistischer Extension und sozialer Dissidenz. Hier beginnt das Drama des Minoritären. Es gibt eine Stelle im »Anti-Ödipus«, in der Deleuze und Guattari zur Beschleunigung der kapitalistischen Freisetzung aufrufen: »Nun denn, welche Lösung, welcher revolutionäre Weg? [...] Das heißt, mit noch mehr Verve sich in die Bewegung des Marktes, der Decodierung und der Deterritorialisierung stürzen? Denn vielleicht sind die Ströme aus der Perspektive einer Theorie und Praxis der zutiefst schizophrenen Ströme noch zuwenig decodiert und deterritorialisiert? Nicht vom Prozess sich abwenden, sondern unaufhaltsam weitergehen, ›den Prozess beschleunigen‹, wie Nietzsche sagte: wahrlich, in dieser Sache haben wir noch zuwenig gesehen.« Aber nein, in dieser Sache haben wir schon viel gesehen. Die Affirmation der Deterritorialisierung ist eine Geste, mit der sich Linke von ihrem soldatischen Erbe verabschiedet haben. 1970 schreibt zum Beispiel Jerry Rubin, dass es Quatsch sei, wenn Radikale sich mit Schlips und Kragen ins Fernsehstudio stellten; man drehe den Ton ab und denke, der Bürgermeister rede. Die Yippies sind für Revolution in Technicolor, für Burroughs’ Individualhubschrauber, für Fernsehserien, in denen Vietkong und Panthers zu neuen Stars werden. Sie verstehen sich als revolutionäre Bewegung, die nicht aus Armut, sondern aus Überfluss agiert, die auf linkes Spießertum kotzt und über deren ermächtigend-erniedrigenden Stellvertreter-Projektionen lacht: »Wir fühlen uns nicht schuldig, weil wir keine Schwarzen, keine Fabrikarbeiter oder Chinesen sind. Der Kapitalismus wird untergehen, weil er seine eigenen Kinder nicht zufrieden stellen kann.« Von Anfang an wird diese Affirmationsgeste von der Populärkultur gedoppelt. Pop-Nietzscheanismus hat sich inzwischen als Sprachstil des jungen bürgerlichen Feuilletons verallgemeinert und noch der letzte Neue Mitte-Spießer weiß diesen Tonfall zu bedienen, wonach Pop geil, Politik verklemmt, Kritik peinlich und der Kapitalismus dumm, aber lustig sei. So ist das. Jeder Sellout-Vorwurf wäre Schwachsinn, weil er die Relativität des gesellschaftlichen Feldes aufheben und die Illusion reiner, uneinholbarer, unumwertbarer Praktiken aufrichten würde. Es geht nicht darum, sich vor der Deterritorialisierung zu ekeln, wie Adorno und Horkheimer, die sich über die Kulturindustrie empörten, der Freiheit nicht mehr als ein neues Deodorant bedeute. Die Deterritorialisierung zu beschleunigen, kann eine Strategie sein, aber die Reterritorialisierung wird damit nicht aufgehalten: weder am Kulturalismus, noch an der Verwertung, noch die biopolitischen Mechanismen modulatorischer Kontrolle und ausschließender Einschließung. Die Prognose der Yippies, dass all die »hübschen Produkte« der »hip-Kapitalisten« und »langhaarigen Profitmacher« letztlich wie Dynamit in ihren Händen explodieren, »ihnen ihre verdammten Finger abreißen, und die Arschficker samt und sonders ins Himmelreich befördern« würden, hat ja auffälligerweise nicht gestimmt. Sie sind alle noch da.«

[Katja Diefenbach]



Wo kämen wir denn da hin, wenn alle sich wünschen könnten, was sie wollen?

»Dem ersten Stutzen nach, ist die Frage nicht zu beantworten. Nach dem ersten Stutzen zeigt sich, dass auch rhetorische Fragen, solche also, die keine Antwort erwarten, weil sie selbst eine Antwort sind, den Kringel über dem Punkt nur vortäuschen, auf »na also« enden, beantwortbar sind. »Hast du sie noch alle?« »Nein.« »Schläfst du schon?« »Ja.« Wo also kämen wir hin, wenn alle sich wünschten, was sie wollen? Kann es einen Wunsch-Ort geben, an dem es sich ankommen lässt? Oder nur solche, zu denen es sich aufbrechen lässt, die beständig im Ankommen bleiben, ohne je ankommen zu können? Die nicht ankommen dürfen, wenn sie nicht aufhören sollen Wunsch-Orte zu sein? Und wenn wir den Wunsch-Ort nicht erreichen können, weil er immer im Ankommen bleiben wird, immer im Ankommen bleibt, ist er dann nicht bereits in Ankommen? Sind wir dann nicht bereits da?

Die Menschen wünschen sich bereits, was sie wollen. Die Wünsche sind ebenso frei wie die Gedanken. Es gibt kein Gesetz, dass sie verbieten würde oder nur könnte. Im Gegenteil. Der postmoderne Kapitalismus benötigt die Wünsche sogar und speist sie tausendfach ein. Er benötigt das Begehren und stachelt es tausendfach an. Das Begehren nach sozialem Status, beruflichen Erfolg, erhöhter Mobilität, größeren Autos, besseren Technologien. Er benötigt den Willen zum Wissen, zur Macht, zum Mehrwert. Insofern die Rebellion von 68 auch eine Rebellion gegen die Begrenzung des Begehrens, der Sexualität, des Hedonismus war, war sie auch Ausdruck eines in die Krise gekommenen Nachkriegskapitalismus mit nachholender Kapitalakkumulation und dazugehöriger Sparstrumpfmentalität. Die Explosion des Begehrens und der Wünsche brachte den Kapitalismus in die Krise und löste sie zugleich.

Wäre es da nicht plausibler, der Schopenhauerschen Ethik, den buddhistischen Yogis, den landläufigen Hippis zu folgen und den Willen zu ersticken, den Wünschen zu entsagen? Dem Markt die Nachfrage zu verweigern, die Maschine nach ihren eigenen Gesetzen auszuhungern? Aber was wollen die Menschen, wenn sie nichts mehr wollen? Wollen sie dann noch den Kapitalismus abschaffen? Wohl kaum. Auf den und aus dem esoterischen Rückzug ins Nichts folgt Nichts. Am Hungerstreik sind immer nur die Streikenden verhungert.

Aber wünschen die Menschen wirklich, was sie wollen? Oder gibt es nicht vielleicht Kräfte, die – subtiler als Gesetzestexte – die Wünsche begrenzen? Oder vielmehr ableiten, umwandeln, sublimieren? Kann ich mir wirklich wünschen, meinen Vater zu besteigen, meine Chefin zu erdrosseln, mich essen zu lassen? Und wenn nicht, woher soll ich dann wissen, ob meine Wünsche wirklich meine Wünsche sind, ob ich wirklich das will, was ich will? Wenn aber nicht, dann wäre es sinnvoll, sich auf die Suche nach den wirklichen Wünschen zu machen. Sie freizulegen unter dem Gestrüpp der Fälschungen. Dafür wäre notwendig, die Umschlagplätze ausfindig zu machen, die diese Fälschungen in Umlauf bringen, die Techniken der Ablenkung, der Sublimierung, der Integration zu analysieren, zu denunzieren und zu terminieren. Und das ist gar nicht so schwer. Beim Ablenken entstehen Ablagerungen und Zwischenlager, beim Recyceln und Umwandeln Restmüll. Es muss sie geben, diese gewaltigen Lagerhallen, Müllberge voller unerfüllter Wunschzettel. Ihre Entsorgung ist aufwendig, sie produziert Abgase und Abwasser und die sickern in die Kanalisation des Subjekts um dort Krankheiten zu verursachen: Seelenstau und Herzversagen. Eine unbegrenzte Palette von Störungen, die von den unerfüllten, nichtverfälschten Wünschen spricht. Das objektive Interesse der Klasse gekleidet in den Mantel der Hautrötung, des Hexenschusses (kein Nebenwiderspruch), des Wahnsinns.

Müssen wir also nur die Mäntelchen ausziehen, uns nackt machen, das wahre Begehren freilegen? Um wirklich zu wünschen, was wir wollen? Geht es darum: wirklich wollen was wir wollen? Dem ersten Stutzen nach, ist diese Frage mit ja zu beantworten. So einfach ist das. Nach dem ersten Stutzen zeigt sich, dass der Satz seine Bedeutung verdoppelt, abhängig davon, welches Wollen wir als Erstes setzen. Nach der einen Lesart geht es darum, eine Identität zu schaffen zwischen dem oberflächlichen und dem authentischen Wollen (das wollen was wir wirklich wollen). In der zweiten Lesart ist es ein spezifischen Wollen selbst, das gewollt wird (selber wollen was wir wollen oder: wollen können was wir wollen). »Ich will den Kommunismus wollen. Leider kann ich nur alle Macht für mich wollen.« Selbstverständlich können wir uns wünschen, etwas zu wollen. Das ist aber etwas anderes, als es dann tatsächlich auch zu wollen. Der Wille ist kein Bestandteil der Willensfreiheit. Dann aber gibt es die Willensfreiheit nicht. Stattdessen sind unsere Wünsche und Begierden immer schon Ausdruck sozialer Konfigurationen, sozialisatorischer Prozesse, gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse. Es gibt keine authentischen, unbefleckten Begierden. Noch vor aller Integration sind sie in die Verhältnisse integriert.

Wenn aber weder die Wunschaskese hilft noch der eigentliche, objektive, der wahre Wunsch existiert, kann die Perspektive dann nur noch in der Vervielfachung der künstlichen Wünsche bestehen? Im Luxus für alle? Oder in der Beschleunigung des Begehrens, in der Erhöhung der Deterritorialisierungsgeschwindigkeit bis zu dem Punkt an dem die Maschine überhitzt?

Der Schluss wäre vorschnell gezogen. Unsere Generation hat gelernt, sich zu viel in die Hosen zu machen vor der Integrationskraft des allmächtigen Kapitalismus. Es gibt auch die unbremsbaren, die unbewältigbaren, die sprengkräftigen, die transitorischen Wünsche. Hier sind unsere:

Wir sind eine Gruppe von Menschen. Wir wollen Sex ohne Geschlecht, Wohnen an jedem Ort, Leben ohne Arbeit, Reichtum ohne Geld. Möge der Kapitalismus seine Integrationskraft an uns austesten!«

[ojemine-ojamina]



»Ich wünsche mir Zeit, um all die Bücher zu lesen, deshalb darf ich nie arbeiten müssen.

[b.wurm]



»Manchmal wünsche ich mir, all die schrecklichen Menschen da draußen nicht sehen zu müssen. Oder, dass sie mich verstehen und einsehen, dass sie schlecht sind.«

[claude mirror]



Einen Wunsch haben Sie noch frei

»Als Sie noch ein Kind waren, glaubten Sie, das Leben könne so schön sein wie im Märchen oder mindestens so glatt wie im Kino. Damals waren Sie sich ganz sicher: wenn Sie nur fest genug daran glaubten, dann würde ihr Wunsch schon in Erfüllung gehen. Dann kamen die Erwachsenen, später die Schule, die Ausbildung, die Arbeit. Es war wie ein Schlag vor den Kopf oder mehrere: Stück für Stückchen wollten Sie Ihnen Ihren Wunsch aus dem Kopf schlagen. Und dafür brauchten Sie noch nicht einmal besonders viel Überzeugungskraft. Sie müssten ja nur hinsehen, dann sähen Sie ja, wie es ist. Und was Sie da sahen? Erst wurde Ihnen ein Geschlecht zugewiesen, dann wurde Ihnen der Schnuller weggenommen. Sie durften sich nicht dreckig machen und ob Sie in die Schule gehen wollen, hat Sie auch niemand gefragt. Überhaupt das Fragen! Wann hat sich überhaupt mal jemand dafür interessiert, was Sie wollen? »Es geht hier nicht immer alles nach Deinen Wünschen«, wurde Ihnen gesagt. Aber Sie haben schnell gemerkt, dass dieses »nicht alles« eigentlich »fast nichts« bedeutet. Wie lange Sie schlafen wollen wurde von anderen entschieden, Ihre Fragen wurden nicht beantwortet, aber was Sie alles noch zu lernen hätten, darüber wussten alle Bescheid ...

Berühmt sind Sie nicht geworden, der Traumprinz hatte nicht einmal ein Pferd und selbst zur Klassenbesten hat es nicht gereicht. Und der Traumjob, den Sie sich einreden lassen hatten, weil Ihre vernünftigeren Wünsche alle schon in den Wind geschlagen waren, stellte sich auch schnell eher als Job, denn als Traum heraus.

Da haben Sie gemerkt, dass Ihr Traum Sie nicht glücklich macht und Ihnen beim Leben nicht hilft. Im Gegenteil: Je schöner Ihr Wunsch, umso hässlicher erschien Ihnen die sogenannte Realität. Je sehnlicher Sie wünschten, umso klarer wurde Ihnen bewusst, wie sehr die Wirklichkeit von Ihrem Wunsch abfiel, mit wie vielem Sie sich schon abgefunden, mit wie wenig Sie sich zufrieden gegeben hatten. Da ist Ihnen aufgefallen, wie traurig Sie ihr Wunsch macht und Sie haben angefangen denen zu glauben, die sagten, sie hätten es ja schon immer gewusst, »es ist wie es ist«, und es ist besser, sich so früh wie möglich damit abzufinden. Also haben Sie sich mit beiden Füßen auf den Boden gestellt, haben fest die Augen verschlossen und sich gewünscht, sich nie wieder etwas zu wünschen.

Und dort stehen Sie noch heute. Zwei Wünsche haben Sie verwünscht. Ihr Leben ist nicht das, was Sie sich gewünscht haben, aber es könnte schlimmer sein – das sagen Sie sich jeden Tag und mittlerweile glauben Sie selbst daran. Manchmal wenn Sie im Kino sitzen oder den Kindern beim Spielen zuschauen, überkommt Sie eine große Traurigkeit und dann eine riesige Wut und Sie wollen, dass dieses Theater aufhört und die Kinder sollen nicht so laut sein und sich benehmen. Und manchmal, manchmal gestatten Sie sich den Glauben, dass irgendwann das Happy End komme, dass das hier doch irgendwann aufhören müsse und alles gut werde. Aber kurz darauf haben Sie sich wieder gefangen und Sie haben ihr Lächeln aufgesetzt, das den anderen Menschen signalisiert, dass Sie dazu gehören.

Nun haben Sie nur noch einen Wunsch frei. Sie können die Augen jetzt wieder öffnen. Hören Sie auf, an das Happy End zu glauben und fangen Sie wieder an, der Realität zu misstrauen. Einen Wunsch haben Sie noch frei. Diesmal sollten Sie sich nicht korrumpieren lassen. Seien Sie bloß nicht bescheiden! Der Wunsch kennt keine Beschränkungen und vor der Kraft ihres Wunsches werden sich die Mauern der Wirklichkeit biegen müssen. Es ist Ihr Wunsch. Wünschen Sie jetzt:

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